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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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erstarb.
    Ein Kellner erwischte ihn am Ärmel, worauf sich der Mann rasch aus dem Mantel wand und wieder auf dem Stuhl Platz nahm. Er griff nach der Gabel und schob sich eilig einen Bissen Sahnetorte in den Mund.
    An den benachbarten Tischen waren die Gespräche verstummt. Der Geschäftsführer tauchte aus einem Hinterzimmer auf und trat zu dem Herrn. Er beugte sich zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr, doch der Gast schüttelte entschieden den Kopf. Sein Gesicht war rot angelaufen, er hielt den Blick gesenkt.
    »Dann muss ich leider die Polizei rufen und Sie entfernen lassen.«
    Leo nickte Clara zu, stand auf und ging hinüber. »Was hat sich der Herr zuschulden kommen lassen?«
    Der Geschäftsführer sah ihn überrascht an, worauf Leo diskret seine Dienstmarke zeigte, die er innen im Jackett befestigt hatte.
    »Der Herr war früher Stammgast bei uns. Leider ist er in finanzielle Not geraten und kann es sich nicht mehr leisten, in unserem Café zu verkehren. Beim letzten Mal hat er die Zeche geprellt.«
    Leo neigte sich zu dem Mann. Dabei fiel sein Blick auf den Mantel, dessen Pelz von Motten zerfressen war. Die Ärmel der ehemals eleganten Anzugjacke glänzten an den Ellbogen, die Manschetten des Hemdes waren ausgefranst. »Ich bin Polizist. Wenn Sie noch einmal hier auftauchen, ist eine Verhaftung unvermeidlich.«
    »Ich habe Hunger«, sagte der Mann kaum hörbar.
    »Es muss nicht unbedingt Sahnetorte sein, oder?«, fragte Leo scharf.
    »Ich bin mit meiner Frau jeden Sonntag hergekommen.«
    »Dann essen Sie auf. Und danach machen Sie, dass Sie verschwinden. Nächstes Mal wird man die Schupos rufen.   – Setzen Sie das auf meine Rechnung«, sagte Leo zum Geschäftsführer,während er im Kopf überschlug, was ihn die sentimentale Eskapade kosten würde.
    Der Mann sah ihn verwirrt an. »Danke.«
    »Was war los?«, fragte Clara, als Leo an ihren Tisch zurückkehrte.
    »Ach, nichts. Ehemaliger Stammkunde, der Ärger macht. Die Sache ist schon beigelegt.«
    Sie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu und schwieg.

17
     
    MONTAG, 5.   NOVEMBER 1923
    Leo hatte sich gewundert, dass Ilse schon so zeitig aus dem Haus ging, doch sie hatte erklärt, sie müsse jetzt noch früher aufstehen, um Lebensmittel aufzutreiben. In der Arminius-Markthalle müsse man rechtzeitig sein, um etwas Brauchbares zu erwischen. Allein der Brotpreis hatte sich in den letzten Tagen versechsfacht, und die Unruhen unter der Bevölkerung nahmen zu. Man erzählte sich, angeblich würde das Getreide irgendwo gebunkert, ebenso Lebensmittel, weil die Händler sie nicht gegen wertloses Geld abgeben wollten.
    Auf dem Weg zum Lehrter Bahnhof kam Leo an einer Milchhandlung vorbei. Plötzlich stürzte der Ladenbesitzer heraus, einen Jungen am Kragen gepackt, und schaute hektisch in alle Richtungen.
    »Ham Se ’n Schupo jesehn?«, rief er aufgebracht.
    Leo schüttelte den Kopf. »Was ist denn passiert?«
    Der Ladenbesitzer öffnete die freie Hand und zeigte ihm einen Stein. »Damit wollte er die Scheibe einschmeißen, jawoll, der Bengel! Hab ihn erwischt, als ick jrade beim Aufschließen war.«
    Der Junge versuchte, sich seinem Griff zu entwinden, doch der Mann packte ihn nur noch fester. Leo fürchtete, der Ladenbesitzer werde den Jungen mit dem Kragen seiner Jacke erwürgen.
    »Wie heißt du?«, fragte Leo.
    Der Junge schwieg.
    »Raus mit der Sprache. Ich bin Polizist.«
    Der Ladenbesitzer sah ihn erstaunt an. »Da hol mir doch eener   … Stimmt det ooch?«
    Leo zeigte seine Dienstmarke mit der Aufschrift »Staatl. Preuss. Polizei-Beamter« und der Dienstnummer 477. »Reicht das?«
    Der Mann salutierte stramm, und Leo musste sich ein Lachen verkneifen. »Wenn Ihnen kein Schaden entstanden ist, nehme ich den jungen Mann mit und kümmere mich um alles Weitere.« Er zog den widerstrebenden Jungen mit sich, bevor der Mann noch etwas sagen konnte. »Komm schon, weg hier. Wie heißt du?«
    »Arthur Willumeit.«
    Leo sah ihn prüfend an. »Bist du der Bruder vom Hans?«
    Der Junge wandte sich zu ihm und rief heftig: »Ja, und der Bruder von der Adele! Die hat nix zu essen! Die soll nich’ auch noch sterben!«
    Leo führte ihn um die nächste Ecke. »Ich kenne deine Familie, mein Sohn ist mit Hans in eine Klasse gegangen. Ich tue jetzt etwas Ungesetzliches, ist dir das klar?«
    Der Junge sah ihn aus großen Augen an.
    »Ich lasse dich laufen. Aber mach das nie wieder. Deine Eltern haben genug Kummer.«
    Der Junge sah betreten zu Boden. »Ich wollte nur für

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