Die Totentänzerin: Ein Fall für Nils Trojan 3 - Psychothriller (German Edition)
ruderte sie weiter. Dann sagte sie: »Aber dich bedrückt doch irgendwas. Beim letzten Mal, als ich bei dir war, warst du noch so fröhlich.«
»Damals, ja.« Er runzelte die Stirn, dabei lag das doch alles noch gar nicht so weit zurück. »Dafür warst du beim letzten Mal irgendwie – wie soll ich sagen – verstockt ?«
Sie antwortete nicht.
»An jenem Sonntag sagtest du etwas von einer Verabredung, wolltest mir aber partout nicht verraten, mit wem. Dafür hast du rätselhafte Bemerkungen über große Altersunterschiede gemacht.«
Sie nagte an ihrer Unterlippe. »Wird das ein Verhör ?«
»Nein.«
Zwei Schwäne näherten sich dem Boot. Emily blickte sie gedankenversunken an. Dann erhöhte sie das Tempo, stieß heftig die Ruderblätter ins Wasser.
»Okay, du kannst beruhigt sein, diese komische Geschichte ist schon wieder vorbei.«
»Was war denn ?«
Sie sah zu ihm hin. »Aber du musst mir versprechen, dass du mir nicht böse bist.«
»In Ordnung.«
Sie schlug die Augen nieder. »Ich hab mich ein paar Mal mit meinem Deutschlehrer getroffen. Privat.«
Trojan schnappte nach Luft.
»Er leitet auch den Theaterkurs, und, na ja, wir studieren gerade Was ihr wollt von Shakespeare ein, und ich spiele die Viola. Er hat mir gesagt, ich hätte großes Talent, wir trafen uns, weil ich noch einige Fragen zu meiner Rolle hatte, und er hat dann mit mir daran gearbeitet. Es wurde richtig gut, im Unterricht ist ja immer so wenig Zeit.«
»Und dann ?«, fragte er vorsichtig.
»Okay, und dann hab ich ihn gefragt, ob wir mal spazieren gehen wollen. Und wir haben uns hier verabredet, gerade hier, am Schlachtensee.«
Er schluckte.
»Was ist, Paps ?«
»So weit, so gut, Emily, spazieren gehen mit dem Lehrer, doch was kam dann ?«
Sie druckste einen Moment herum. Schließlich sagte sie: »Wir haben ein bisschen rumgeknutscht.«
»Ihr habt was ?«
»Du hast versprochen, nicht böse zu werden.«
»Emily, du bist seine Schutzbefohlene, er macht sich strafbar !«
»Mehr ist ja nicht passiert.«
»Also, das ist …«
»Siehst du, und deswegen wollte ich es dir eigentlich nicht erzählen, weil ich wusste, dass du wieder so moralisch wirst und mir mit deinem Polizeigelaber kommst.«
»Wie alt ist der Kerl ?«
»Mitte, Ende zwanzig, glaube ich. Er hat gerade sein Referendariat hinter sich.«
»Emily, du würdest es mir doch sagen, wenn noch etwas passiert ist, oder ?«
»Ja, aber da war nichts. Es ist vorbei. Es war nur so ein … Kribbeln … so was … ach Scheiße, die Jungs in meinem Alter sind alle so albern und gleichzeitig so obercool. Torben ist klug, und er nimmt mich ernst. Und außerdem sieht er verdammt gut aus.«
»Torben !«
»Reg dich nicht auf, Pa. Er hat ja selbst gesagt, dass es besser für uns beide ist, wenn wir uns nicht wieder treffen. Und wahrscheinlich hat er recht, aber …«
Trojan beobachtete, wie sie sich eine Träne aus dem Gesicht wischte. Er rutschte zu ihr hinüber und nahm sie in den Arm.
Es war so still auf dem See. Sie saßen in ihrem Boot, und er hielt sie einfach nur fest. Verdammt, sie würde bald ihre eigenen Wege gehen, und er musste es zulassen.
»Emily«, sagte er leise, »lass dir Zeit.«
»Tu ich doch. Ist ja nichts passiert.«
»Er ist dein Lehrer.«
»Weiß ich doch.«
Den Kerl werde ich mir vorknöpfen, dachte er.
Aber Emily kannte ihn nur allzu gut, sie schien seine Gedanken lesen zu können. »Paps, du wirst nichts gegen ihn unternehmen, hörst du ? Er hat sich doch absolut korrekt verhalten.«
»Hat er nicht.«
»Es ging von mir aus.«
»Das spielt keine Rolle.«
Sie sah ihn an. »Bitte !«
»Weiß deine Mutter davon ?«
Sie schüttelte den Kopf. »Schon komisch, dass ich über solche Sachen lieber mit dir rede.«
Er küsste sie auf die Stirn.
Dann übernahm er das Rudern, und sie setzte sich in das Heck.
»He, Em«, sagte er, »da draußen wartet eine ganze Reihe Männer auf dich, einer klüger und interessanter als der andere. Und weißt du was ? Ich bin schon jetzt eifersüchtig auf sie alle.«
Sie schenkte ihm ein verschmitztes Lächeln.
Dann fragte sie: »Was ist eigentlich mit deiner Jana ? Sie heißt doch Jana, oder ?«
Und Trojan seufzte.
Nachdem er sie abends zu ihrer Mutter gebracht hatte, saß er noch lange in seinem Wagen und schaute zu ihrem Fenster hinauf. Schließlich startete er den Motor und fuhr heim.
Er schloss die Wohnungstür hinter sich und rammte den Stangenriegel in die Verankerung, den ein Schlosser erst vor kurzem bei
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