Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
Herzogs.
»Ach, wie gern hätte ich eine so bezaubernde kleine Tochter!« rief ich.
»Ach, wie gern hätte ich einen Sohn, und du hast schon drei!« erwiderte Mathilde prompt. Als sie hörte, daß auch ich wieder in der Hoffnung war, freute sie sich sehr.
Ich mußte es dann den Männern überlassen, die Waren zu verkaufen, mit denen unsere Wagen aus unserem Handel und aus den Beständen meiner Eltern und Engilradis’ beladen waren, denn Mathilde ließ mich nicht von ihrer Seite. Also ließ ich frohgemut alle Pflichten sausen, die sonst meine Tage ausfüllten, und freute mich an dem Zusammensein mit ihr.
Der Herzog war übrigens gerade nicht in Braunschweig; er war nach Nordhausen in Thüringen geritten, um dort mit seinem Vetter, Kaiser Friedrich, zusammenzutreffen und dann gemeinsam mit diesem den Hoftag in Merseburg zu besuchen. So hatte Mathilde viel Zeit für mich.
Wir gingen eines Morgens spazieren, sehr zum Unwillen des Haushofmeisters, der es lieber gesehen hätte, wenn Mathilde geritten wäre.
»Laß ihn nur zetern«, sagte Mathilde, als sie sich mit mir auf den Weg machte. »Er hat stets eine hohe Meinung davon, was sich für eine Königstochter schickt. Aber ich denke gar nicht daran, mich jetzt noch auf ein Pferd zu setzen. Ein Sturz könnte der Tod für mein Kind sein.«
Da konnte ich ihr nur recht geben.
Wir hatten nun das Stadttor erreicht und bogen in einen Weg ab, der am Waldrand entlanglief.
»Und außerdem habe ich abends nicht so geschwollene Beine, wenn ich mich tüchtig bewegt habe«, fuhr Mathilde
fort. Sie gab den beiden Hofdamen, die sie dem Haushofmeister zuliebe mitgenommen hatte, einen Wink, zurückzubleiben, damit sie unbefangen mit mir reden konnte.
»Ich bin so froh, daß du gekommen bist und ich mich mit dir aussprechen kann«, vertraute sie mir an. »Ich habe nämlich Kummer.«
Ich blieb erschrocken stehen.
»Der Löwe?«
»Nein, nein, zwischen uns steht es zum besten. Auf ihn komme ich später noch. Aber ich mache mir große Sorgen über meine Familie in England. Du hast sicher gehört, daß vor vier Jahren Thomas Becket, der Erzbischof von Canterbury, ermordet wurde?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Da hatte ich meine Drillinge …«
»Natürlich, damals hattest du wirklich Wichtigeres im Kopf. Also, Thomas war ein kluger und witziger Kopf, auch ein charmanter Mann. Ein Kaufmannssohn aus London, seine Mutter war übrigens eine Sarazenin. Vater Becket hatte sie auf einer Pilgerfahrt kennengelernt. Als er dann ohne sie nach Europa zurückkehrte, hatte sie so unbändige Sehnsucht nach ihm, daß sie ihm folgte - ohne ein Wort unserer Sprache zu beherrschen. Irgendwie schaffte sie es dennoch, London zu erreichen, und hat sich dann so lange durchgefragt, bis sie ihn fand. Wie sie das fertigbrachte, wo sie nur seinen Namen aussprechen konnte, ist mir ein Rätsel. Diese Anhänglichkeit rührte ihn dermaßen, daß er sie heiratete, und Thomas war die Frucht dieser Ehe.
Ich weiß nicht, wie mein Vater ihn kennengelernt hat; jedenfalls war er plötzlich sein ständiger Wirtshausbegleiter. Aber sie tranken nicht nur zusammen; immer wenn Thomas ins Schloß kam, disputierte er mit Vater über Theologie, Jurisprudenz und Moral. Vater kam in dieser Zeit gar nicht dazu, irgend welchen Frauen nachzustellen, und
das rechnete meine Mutter Thomas Becket hoch an. Vater machte ihn zu seinem Lordkanzler, und sie verstanden sich prächtig. Leider war das aber nicht genug der Ehre. Als der Erzbischof von Canterbury starb, welcher der Primas unserer Kirche in England ist, bestand Vater darauf, daß sein Busenfreund dieses hohe Amt erhielt. Er wurde also noch schnell vorher zum Priester geweiht und gleich am nächsten Tag ernannt. Ach, hätte Vater das doch bleibenlassen! Kaum war Thomas Erzbischof, legte er seine kostbaren Gewänder ab und kleidete sich nur noch in schlichtes schwarzes Tuch; war er als Lordkanzler reichlich pompös aufgetreten, so entsagte er nun allem persönlichen Besitz. Dann kam er zu Vater und erklärte, er lege das Amt des Lordkanzlers nieder, weil es sich nicht mit seinen geistlichen Pflichten vertrüge. Vater tobte und nannte ihn einen undankbaren Schuft, aber das focht Thomas nicht im mindesten an. Bald gerieten sie sich in die Haare darüber, ob Priester, die ein Verbrechen begangen hatten, vor ein weltliches oder ein geistliches Gericht gehörten. Schließlich war Vater so zornig auf Thomas wegen dessen Widerspenstigkeit, daß dieser es vorzog, nach Frankreich zu
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