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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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bezweifelt, daß meine Geburt für meine Eltern ein wundervolles Geschenk war, das sie sehr glücklich machte. Gunther und Hadewigis waren bereits zehn Jahre lang verheiratet, ohne daß sich ihr Wunsch nach einem Kind erfüllt hatte. Die Hoffnung wurde zwar nie aufgegeben, war aber schon sehr gering geworden. Und dann wurde der Leib meiner Mutter doch noch gesegnet.
Für meine Eltern war es wie ein Wunder, denn Hadewigis war schon vierzig Jahre alt. Meine Eltern haben mich stets mit Liebe und zärtlicher Fürsorge überschüttet.
     
    Wie bitte? Du meinst, das wäre zu erwarten bei einem einzigen Kind?
    Das war ich aber gar nicht. Meine Mutter hatte aus ihrer ersten Ehe noch einen Sohn, meinen Bruder Hildebrand. Heute weiß niemand mehr von ihm, er hat keine Spuren auf dieser Welt hinterlassen, außer in meinem Herzen. Er war - nun, er war nicht wie andere Menschen. Mit einem Jahr ist er sehr schwer erkrankt und konnte sich nicht mehr so entwickeln, wie die Natur das vorgesehen hatte. Er lernte niemals, zu sprechen oder zu laufen. Dennoch liebte meine Mutter ihn über alles. Sie ging zärtlich und liebevoll mit ihm um und sprach zu ihm genauso vernünftig wie zu mir. Irgendwann einmal hat sie mir anvertraut, daß viele Männer sie, die reiche Witwe, umworben hatten, sie aber niemals jemand als zweiten Ehemann in Betracht zog, bis sie meinen Vater kennenlernte. Seine freundliche, gütige Art, mit Hildebrand umzugehen, gewann ihm ihr Herz.
     
    Du wirst dich vielleicht wundern, denn du kennst mich als Menschen von scharfem Verstand, mitunter ungeduldig gegen solche, deren Gedanken schwerfälliger sind als die meinen - aber dennoch hing auch ich sehr an Hildebrand. Meine Mutter hat mir oft mit Tränen der Rührung erzählt, wie Hildebrand vom Tag meiner Geburt an nicht von meiner Wiege wegzubringen war. »Wie ein treuer Schäferhund«, sagte die Köchin einmal. Aber da wurde meine Mutter sehr zornig. »Er ist ein Mensch, kein Hund«, sagte sie eisig. »Wenn er auch nicht sprechen kann, fühlt sein Herz wie jedes andere. Ich werde nicht dulden, daß jemand achtlos über ihn spricht.«

    Die Köchin schämte sich sichtlich und bat meine Mutter um Verzeihung. Sie war kein unrechter Mensch, und sie hat meinen Bruder auch niemals schlecht behandelt, sie hatte eben nur gedankenlos dahergeredet.
     
    Du hältst mich vielleicht für etwas redselig. Nein, du brauchst nicht entsetzt abzuwehren: Alte Leute schwätzen tatsächlich oft so vor sich hin. Als Kind aber war ich ziemlich schweigsam. Vielleicht kam es daher, daß Hildebrand ja auch nicht sprach. Er stand mir sehr nahe. Wenn ich morgens erwachte, lief ich als erstes zu seinem Strohsack, weckte ihn, zog ihn an und kämmte ihm die langen Haare. Ich konnte stundenlang mit ihm spielen und langweilte mich nie mit ihm. Bei Tisch fütterte ich ihn, kaum daß ich selbst einen Löffel halten konnte.
    Als ich zwölf Jahre alt war, kämpfte Hildebrand mit einer Erkältung. Am Abend hatte ich ihm einen heißen Kräutertrunk ans Bett gebracht, ihn fürsorglich in warme Decken gewickelt und ihm eine Geschichte zum Einschlafen erzählt. Als ich dann am Morgen nach ihm sah, atmete er nicht mehr. Er sah so friedlich aus, und er lächelte ein wenig. Schweigend, wie er gelebt hatte, war er von uns gegangen. Wir haben lange um ihn geweint, meine Eltern und ich.
    Das ist jetzt rund fünfzig Jahre her, ein langes Menschenalter; aber niemals, solange ich lebe, werde ich vergessen, wie Hildebrands Augen leuchteten, wenn Mutter, Vater oder ich liebevoll mit ihm sprachen. Noch immer denke ich mit Zärtlichkeit an meinen Bruder. Wenn es wahr ist, daß jeder Mensch einen Schutzengel hat, dann ist es sicher Hildebrand, der seit seinem Tode über mich wacht.
     
    Wenn ich nicht mit Hildebrand spielte, hielt ich mich besonders gern im Kontor meiner Mutter auf. Ich tat so, als wäre ich mit meiner Tocke beschäftigt; in Wirklichkeit
aber beobachtete ich sie ganz genau. Es beeindruckte mich außerordentlich, wie sie mit ihren Lieferanten und den Gehilfen umging. Ihre Art war so ruhig und so liebenswürdig; und doch bestimmte ganz allein sie, wie die Geschäfte zu laufen hatten. Erst viele Jahre später habe ich begriffen, daß meine Mutter die erfolgreichste Geschäftsfrau in unserer Familie war. Dabei hatten wir so großartige Handelsherren wie meinen Großvater Eckebrecht und meinen Vetter Constantin, die beide über viele, viele Jahre zu den bedeutendsten Männern im Kölner Handel zählten. Auch mein

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