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Die Tuer im Schott

Die Tuer im Schott

Titel: Die Tuer im Schott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickson Carr
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ermahnen konnte, nur um dann mit einem erleichterten Aufatmen jedem faszinierenden Abweg zu folgen, der sich bot.
    Das Pamphlet, das er neben sich liegen hatte, trug den Titel  Ein Process gegen Hexen, welcher am zehnten Tag des Märzes 1664 gehalten wurde zu Bury St.   Edmonds im Namen der Grafschaft Suffolk, verhandelt vor Sir Matthew Hale, Ritter, sintemalen Lordoberrichter an Seiner Majestät Oberstem Finanzgericht, gedruckt für D.   Brown, J.   Walthoe und M.   Wotton, 1718.
    Das war ein Abweg, auf dem er schon häufiger gewandelt war. Sir Matthew Hale hatte natürlich im Grunde kaum etwas mit Hexen zu tun. Doch so etwas hielt Brian Page nicht davon ab, ein überflüssiges halbes Kapitel zu verfassen, wenn ein Thema seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Mit wohligem Seufzer nahm er den abgegriffenen Glanville aus dem Regal. Er wollte ihn eben aufschlagen, da vernahm er Schritte im Garten, und jemand rief ihm schon durch das Fenster seine Begrüßung zu.
    Es war Nathaniel Burrows, und er schwang seinen Koffer mit weit ausholenden Bewegungen, die gar nichts Anwaltsmäßiges hatten.
    »Na, viel zu tun?« fragte Burrows.
    »Nu-un.« Page gähnte. Er legte den Glanville beiseite. »Komm auf eine Zigarette herein.«
    Burrows öffnete die Terrassentür und trat in den dunklen, bequem eingerichteten Raum. Auch wenn er sich im Zaum hielt, war er doch erregt genug, daß er fröstelnd und recht bleich wirkte an diesem heißen Nachmittag. Sein Vater, Großvater und Urgroßvater hatten die Rechtsgeschäfte der Farnleighs geregelt. Doch manchmal mochte man bezweifeln, ob Nathaniel Burrows, leicht zu erregen und bisweilen unbeherrscht in seinen Reden, sich wirklich zum Familienanwalt eignete. Und er war jung. Doch in der Regel hatte er seine kleinen Schwächen unter Kontrolle und brachte, fand Page immer, durchaus auch einen Gesichtsausdruck zustande, der frostiger war als der eines Heilbutts auf Eis.
    Burrows’ schwarzes Haar war perfekt gescheitelt und lag adrett am Kopf an. Auf der langen Nase hatte er eine Hornbrille, und die Art, wie er eben über ihren Rand hinwegblickte, ließ vermuten, daß er mehr Gesichtsmuskeln besitzen mußte als gewöhnliche Menschen. Er trug einen schwarzen Anzug, elegant und unbequem, und mit den behandschuhten Händen hielt er den Koffer an sich gedrückt.
    »Brian«, sagte er, »ißt du heute abend zu Hause?«
    »Na ja, eigentlich schon …«
    »Dann änderst du deine Pläne«, sagte Burrows abrupt.
    Page sah ihn fragend an.
    »Du dinierst bei den Farnleighs«, erklärte Burrows. »Essen kannst du meinetwegen auch anderswo, aber ich hätte dich gern bei bestimmten Ereignissen dort im Hause dabei.« Etwas von seinem Anwaltston kam hervor, und ihm schwoll die schmale Brust. »Was ich dir gleich erzähle, erzähle ich hochoffiziell. Zum Glück. Sage mir: Hattest du jemals das Gefühl, daß Sir John Farnleigh nicht der Mann ist, als der er sich ausgibt?«
    »Sich ausgibt?«
    »Daß Sir John Farnleigh«, erklärte Burrows mit sorgfältigen Worten, »ein Betrüger und Hochstapler ist, der in Wirklichkeit gar nicht Sir John Farnleigh ist?«
    »Hast du einen Sonnenstich?« fragte der andere und richtete sich auf. Was er gehört hatte, verblüffte und ärgerte ihn, es hatte ihn aus der Fassung gebracht, und das gerade zur trägsten Stunde an einem heißen Tag. »Nie im Leben habe ich Grund gehabt, so etwas zu glauben. Warum sollte ich auch? Worauf zum Teufel willst du hinaus?«
    Nathaniel Burrows sprang aus seinem Sessel auf und legte statt dessen den Koffer dort ab.
    »Ich sage das«, erklärte er, »weil ein Mann aufgetaucht ist, der behauptet, er sei der echte John Farnleigh. Nicht erst seit heute. Es geht schon seit ein paar Monaten, aber jetzt spitzt sich die Sache zu. Ähm …« Er zögerte und blickte sich um. »Ist sonst noch jemand im Haus? Mrs. Wie-heißt-sie-gleich? Du weißt schon, die Zugehfrau – oder sonst jemand?«
    »Nein.«
    Burrows flüsterte beinahe. »Ich dürfte dir das nicht verraten. Aber ich weiß, daß ich dir vertrauen kann, und ich bin, unter uns gesagt, in einer prekären Lage. Die Sache wird nicht ohne Ärger abgehen. Der Fall Tichborne war ein Ammenmärchen dagegen. Natürlich habe ich – ähm – offiziell bisher keinerlei Grund zu der Annahme, daß der Mann, dessen Angelegenheiten ich regle, nicht Sir John Farnleigh ist. Meine Aufgabe ist es, Sir John Farnleigh zu dienen – dem echten. Aber das ist es ja gerade. Wir haben zwei Männer. Einer davon ist der echte

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