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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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Erstes Kapitel
    Oberst Manuel Cardenas vermeinte vor Hitze zu vergehen. Sonne fiel schräg vor das Fenster, fiel auf die bronzene Ordensgalerie, die er als Vorsitzender der Untersuchungskommission tragen mußte, und verlieh ihm den Geruch schmelzenden Metalls. Weiter und weiter keifte die Stimme des Anklägers aus Sao Paulo, der mit juristischem Eifer etwas Belangloses widerlegte.
    Der Oberst konnte gähnen, ohne einen Muskel zu bewegen. Heilige Mutter Gottes, dachte er, diese Zunge, die ist auf geschmierten Federn montiert! Vor vierzig Jahren, da hatten in Südamerika die Offiziere noch Rechte. Ich hätte ihn abführen und kurzerhand niederknallen lassen.
    Sich gegen die Langeweile zu wehren, begann er im Geiste einen Brief an seine Frau zu schreiben, einen Brief, der nie abgehen würde: »… es gibt nämlich weder Briefkasten noch Briefträger hier im Urwald von Mato Grosso. Abgesehen von ein paar Indianern da und dort – man findet sie überall wie Unkraut –, ist die Gegend fast menschenleer. Ein riesiges grünes Vakuum, in dem Hitze, Feuchte und Moskitos herrschen – und natürlich auch die Zentralamerikanische Erdöl AG.«
    Draußen vor dem Fenster knarrte ein Ast. Ein Aasgeier landete unbekümmert wie ein Sonntagsflieger und beäugte unverhohlen gierig den Obersten. Den durchzuckte es: Vielleicht werde ich jetzt gewogen? So viel Fleisch, so viel Abfall, so viel wertlose Knochen.
    Im Geiste schrieb er weiter: »Seit dem frühen Morgen sitzen wir nun und haben nicht mehr zu Papier gebracht als Gerichtliche Untersuchung der Vorkommnisse im Lager San Juacinta der Zentralamerikanischen Erdöl AG. « Mitfühlend blickte er auf den Vizepräsidenten der Gesellschaft, einen dünnen Nordamerikaner in steingrauem Tropenanzug, der schon seine dritte Zigarre zerkrümelte und mit verhaltener Wut den Ankläger anstarrte.
    Dieser quatschende Schafskopf macht uns noch alle fuchsteufelswild, dachte der Oberst.
    Er fuhr in seinem imaginären Briefe fort: »Du weißt ja, liebste Eleanor, hierzulande gilt die Erdölgesellschaft soviel wie Gott. Sie sandte als Erzengel ihren Vizepräsidenten mit dem Ultimatum, diese furchtbare Sache unbedingt zu vertuschen. Das hat er vorher schriftlich zusagen müssen, in Miami, wo seine Jacht steht. Alle haben Gottes Botschaft verstanden, nur diese juristische Sprechmaschine aus Sao Paulo nicht. Dem Kerl kann man nicht den Mund stopfen.«
    Der Oberst konnte es nicht länger ertragen. »Senhor«, unterbrach er verdrossen den Ankläger, »Sie werden Ihre Kehle austrocknen. Genug ist genug.«
    »Herr Oberst, es handelt sich um entscheidende Fragen der Moral …«
    »Hören Sie auf, wie Pilatus zu sprechen. Wir verhören nicht Jesus Christus. Es ist lediglich eine Untersuchung. Hier starben sieben Männer durch Gewalt. Wir müssen feststellen, wie und warum, mehr nicht.«
    »Mit Ihrer gütigen Erlaubnis …«
    »Die haben Sie! Doch mit Ihrer gütigen Erlaubnis: Schluß jetzt!«
    »Ich bin fast zu Ende.«
    »Mir kommt vor, Sie hören überhaupt nicht mehr auf.«
    »Noch fünf Minuten, ja?«
    »Fünfeinhalb. Sie sehen, ich bin großzügig.« Wenn er sechs braucht, werde ich ihn doch niederknallen lassen, dachte der Oberst.
    Er wandte sich dem Fenster zu, seine gleißenden Orden klimperten. Der Aasgeier schien fasziniert wie eine Frau, die Schmuck betrachtet. Der Oberst rief ihm etwas Obszönes zu, zuerst spanisch, dann portugiesisch, und seine zwei Adjutanten, die ihn schrecklich fürchteten, starrten ihn entgeistert an, als redete er zu einem zweisprachigen Vogel.
    Der Aasgeier spreizte die Flügel und flog auf.
    Der Oberst wandte seine Gedanken wieder seiner Frau zu. »Was gibt es Neues in Los Queros?« setzte er seinen Brief fort. »Wird das Obst schon reif? Hier wächst alles so rasch, wie durch Aladins Wunderlampe. Es wuchert in diesem Dschungel. Und dazu die Hitze! Sie ist unerträglich. Sie könnte einem das Sperma austrocknen …« Aber derlei schreibt man nicht ein die zartbesaitete Ehefrau, deshalb löschte er es aus seinem Denken. Er hörte den Wortschwall des Anklägers: »… wenn man das Prinzip gegenseitiger Verantwortlichkeit in Betracht zieht …«, und gähnte ihm unverhohlen ins Gesicht. Wir werden ihn doch noch knebeln müssen, dachte der Oberst und setzte den Brief fort: »Weißt du, Liebste, daß man von hier nach einer halben Tagesreise – man kommt im Urwald nur langsam voran – auf einen Strom trifft, der sich vom Stillen Ozean her wie ein Bandwurm durch das Land windet?

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