Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
zwischen Angst und Verlangen finden und nannte ihn >erotische Freundschaft<. Seinen Freundinnen beteuerte er: nur in einer unsentimentalen Beziehung, in der keiner Ansprüche auf das Leben und die Freiheit des andern erhebt, können beide glücklich werden.
Weil er sichergehen wollte, daß die erotische Freundschaft niemals in eine aggressive Liebe überging, traf er sich mit seinen ständigen Freundinnen nur in langen Abständen. Er hielt diese Methode für perfekt und propagierte sie unter seinen Freunden: »Man muß die Dreierregel einhalten. Entweder sieht man eine Frau in kurzen Abständen, aber dann nicht öfter als dreimal, oder man verkehrt jahrelang mit ihr, dann allerdings nur unter der Bedingung, daß mindestens drei Wochen zwischen den Verabredungen liegen.«
Diese Dreierregel verschaffte Tomas die Möglichkeit, das Verhältnis mit seinen festen Freundinnen aufrechtzu-erhalten und nebenher eine beachtliche Anzahl von flüchtigen Bekanntschaften zu pflegen. Er wurde nicht immer verstanden. Von all seinen Freundinnen verstand Sabina ihn am besten.
6.
Sie war Malerin. Sie sagte: »Ich mag dich, weil du das pure Gegenteil von Kitsch bist. Im Reich des Kitsches wärst du ein Monstrum. Es gibt kein einziges Drehbuch eines amerikanischen oder russischen Films, in dem du nicht als abschreckendes Beispiel auftreten könntest.«
An Sabina wandte er sich mit der Bitte, ob sie ihm nicht helfen könnte, für Teresa in Prag eine Arbeit zu finden. Den ungeschriebenen Verhaltensregeln der erotischen Freundschaft zufolge versprach sie ihm, alles zu tun, was in ihren Möglichkeiten stand, und machte tatsächlich in kurzer Zeit eine Stelle im Fotolabor einer Illustrierten ausfindig. Auch wenn diese Stelle keine besondere Qualifikation erforderte, so beförderte sie Teresa doch von der Zunft der Serviererinnen in die der Zeitungsangestellten. Sabina selbst führte Teresa in der Redaktion ein, und Tomas sagte sich, daß er nie im Leben eine bessere Freundin gehabt habe. Der ungeschriebene Vertrag der erotischen Freundschaft beinhaltete, daß Tomas die Liebe aus seinem Leben ausschloß.
In dem Moment, da er diese Bedingung mißachtete, würden sich seine anderen Freundinnen als zweitrangig zurückgesetzt fühlen und sich auflehnen.
Er besorgte also für Teresa ein Zimmer in Untermiete, wo sie ihren schweren Koffer abstellen mußte. Er wollte auf sie aufpassen, sie beschützen und sich an ihrer Gegenwart freuen, aber er verspürte nicht die geringste Lust, seine Lebensweise zu ändern. Niemand sollte wissen, daß Teresa bei ihm schlief. Der gemeinsame Schlaf ist das corpus delicti der Liebe.
Er schlief nie bei anderen Frauen. Wenn er zu ihnen ging, war es einfach: er konnte weggehen, wann er wollte. Schwieriger war es jedoch, wenn sie zu ihm kamen und er ihnen nach Mitternacht klarmachen mußte, daß er sie heimfahren würde, da er an Schlafstörungen litte und nicht in der Lage sei, in der Nähe eines anderen einzuschlafen. Das war zwar nicht weit von der Wahrheit entfernt, der Hauptgrund aber war noch schlimmer, und er wagte nicht, ihn seinen Freundinnen zu gestehen: nach dem Liebesakt verspürte er ein unbezwingbares Bedürfnis, allein zu sein; es war ihm unangenehm, mitten in der Nacht an der Seite einer fremden Person aufzuwachen; das gemeinsame morgendliche Aufstehen stieß ihn ab; er hatte keine Lust, daß ihm jemand beim Zähneputzen im Badezimmer zuhörte, und die Intimität eines Frühstücks zu zweit bedeutete ihm nichts.
Deshalb war er so überrascht, als er aufwachte und Teresa ihn fest an der Hand hielt. Er sah sie an und konnte nicht recht begreifen, was ihm da geschehen war. Er vergegenwärtigte sich die zurückliegenden Stunden und ihm schien, als verströmten sie den Duft eines unbekannten Glücks.
Von diesem Moment an freuten sie sich beide auf den gemeinsamen Schlaf. Ich bin versucht zu sagen, das Ziel des Liebesaktes lag für sie nicht so sehr in der Lust als vielmehr im nachfolgenden Schlaf. Besonders Teresa konnte ohne Tomas nicht einschlafen. War sie ab und zu allein in ihrem möblierten Zimmer (das immer mehr zu einem Alibi wurde), konnte sie die ganze Nacht kein Auge zutun. In seinen Armen konnte sie immer einschlafen, auch wenn sie noch so unruhig war. Flüsternd erzählte er ihr Märchen, kleine Geschichten, die er sich für sie ausdachte, und wiederholte mit monotoner Stimme tröstende oder lustige Worte. In ihrem Kopf verwandelten sich diese Worte in wirre Visionen, mit denen sie in
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