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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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hatten, dass das Sternenlicht auf gekrümmten Bahnen läuft, stellte Einstein selbstbewusst fest: Wäre das Ergebnis anders ausgefallen, dann »könnt mir halt der liebe Gott leid tun. Die Theorie stimmt doch.« Ich bin mir zwar sicher, dass Einstein einen anderen Ton angeschlagen hätte, wenn überzeugende Daten gegen die Allgemeine Relativitätstheorie gesprochen hätten. Die Bemerkung zeigt jedoch, dass eine Reihe mathematischer Gleichungen durch geschmeidige innere Logik, natürliche Schönheit und einen potenziell breitgefächerten Anwendungsbereich anscheinend in die Wirklichkeit ausstrahlen kann.
    Dennoch war auch Einstein nur bereit, seiner Mathematik bis zu einer gewissen Grenze zu folgen. Er nahm die Allgemeine Relativitätstheorie nicht so ernst, dass er ihre Vorhersagen, wonach es Schwarze Löcher gibt und das Universum expandiert, geglaubt hätte. Wie wir erfahren haben, machten andere, darunter Friedmann, Lemaître und Schwarzschild, sich Einsteins Gleichungen stärker zu eigen als er selbst und gaben mit ihren Errungenschaften fast ein Jahrhundert lang die weitere Entwicklung der kosmologischen Kenntnisse vor. Einstein dagegen stürzte sich während seiner letzten zwanzig Lebensjahre in mathematische Untersuchungen, um die seit Langem gesuchte vereinheitlichte Theorie der Physik zu finden. Wenn man seine Arbeiten vor dem Hintergrund unserer heutigen Kenntnisse beurteilt, kommt man um den Schluss nicht umhin, dass Einstein sich während dieser Jahre zu stark – manche würden sagen: blind – von dem Dickicht der Gleichungen leiten ließ, von denen er ständig umgeben war. Auch Einstein traf von Zeit zu Zeit die falsche Entscheidung in der Frage, welche Gleichungen er ernst nehmen sollte und welche nicht.
    Die dritte Revolution in der modernen theoretischen Physik, die Quantenmechanik, bietet uns eine weitere Fallstudie, und diesmal eine von unmittelbarer Bedeutung für die Geschichte, die ich in diesem Buch erzählt habe. Schrödinger formulierte 1926 seine Gleichung über die Zeitentwicklung der Quantenwellen. Jahrzehntelang glaubte man, diese Gleichung sei nur für den Bereich des Allerkleinsten von Bedeutung: für Moleküle, Atome und Teilchen. Im Jahr 1957 tat Hugh Everett jedoch das, was Einstein ein halbes Jahrhundert zuvor mit Maxwells Gleichungen gemacht hatte: Er nahm die Mathematik ernst . Everett vertrat die Ansicht, man solle Schrödingers Gleichung auf alles anwenden, weil alle materiellen Dinge unabhängig von ihrer Größe aus Molekülen, Atomen und subatomaren Teilchen bestehen. Und wie wir bereits erfahren haben, gelangte er auf diese Weise zum Viele-Welten-Ansatz der Quantenmechanik und zum
Quanten-Multiversum. Heute, mehr als fünfzig Jahre später, wissen wir immer noch nicht, ob er mit diesem Ansatz Recht hatte. Doch indem er die Mathematik, die der Quantentheorie zugrunde liegt, ernst nahm – und zwar vollkommen –, ist ihm womöglich eine der tiefgründigsten Offenbarungen der wissenschaftlichen Forschung gelungen.
    Die anderen Multiversums-Theorien basieren ebenfalls auf der Überzeugung, dass die Mathematik eng mit dem Gewebe der Wirklichkeit verflochten ist. Das letztmögliche Universum treibt diese Sichtweise zu ihrer extremsten Verkörperung: Mathematik ist demnach die Wirklichkeit. Aber auch die anderen Multiversums-Theorien in Tabelle 11.1 mit ihrem weniger umfassenden Blick auf die Zusammenhänge zwischen Mathematik und Wirklichkeit verdanken ihre Entstehung den Zahlen und Gleichungen, mit denen Theoretiker am Schreibtisch herumspielten – und die sie in Notizbücher kritzelten, an Wandtafeln schrieben oder in Computer programmierten. Ob nun Allgemeine Relativitätstheorie, Quantenmechanik, Stringtheorie oder mathematische Erkenntnisse den breiteren Raum einnehmen, die Einträge in der Tabelle 11.1 ergeben sich ausschließlich aus der Annahme, dass theoretische mathematische Überlegungen uns als Wegweiser zu verborgenen Wahrheiten dienen können. Ob man mit dieser Annahme die zugrunde liegenden mathematischen Theorien zu ernst oder vielleicht nicht ernst genug nimmt, kann nur die Zukunft zeigen.
    Wenn sich herausstellen sollte, dass die Mathematik, die uns zum Nachdenken über Parallelwelten gezwungen hat, ganz oder teilweise für die Wirklichkeit von Bedeutung ist, gäbe es auf Einsteins berühmte Frage, ob das Universum einfach deshalb diese und keine anderen Eigenschaften hat, weil kein anderes Universum möglich ist, eine definitive Antwort: nein. Unser

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