Die verbotene Pforte
kann mich damit aus nächster Nähe sehen. Tausendfach vergrößert! Jede Falte und jede Haarsträhne, die mir ins Gesicht hängt! Sie verfolgen mich! Und neulich«, sie schnappte nach Luft und wurde blass um die Augen, »stand in der Zeitung, ich hätte … Sonnenflecken im Gesicht! ›So viele, dass sie damit aussieht wie ein Streuselkuchen‹, stand da! Und König Tanuki hat mir erzählt, dass in der Stadt sogar eine Bühnenshow läuft mit dem Titel: ›Amaterasu – die wahre Geschichte eines hässlichen Mädchens‹.«
Und dann hat König Tanuki dich netterweise getröstet und dir Zuflucht vor den Paparazzi gewährt, dachte Tobbs. Ein geschickter Schachzug!
»Nie wieder gehe ich da raus!«, klagte Amaterasu Ankou Arnold ihr Leid.
Der Friedhofsgeist trat zu ihr und ergriff ihre Hand. Amaterasu sah ihn fassungslos an. Tobbs war sich sicher, dass er sich an Arnolds Stelle spätestens jetzt eine Ohrfeige eingefangen hätte, doch dem Friedhofsgeist gestattete die Göttin die Berührung.
»Aber du bist nicht hässlich!«, sagte Arnold so aufrichtig und mitfühlend, dass selbst Tobbs mit einem Mal verstehen konnte, warum die Leute ihn mochten. Er hätte es niemals zugegeben, aber in diesem Moment, als er Ankous fasziniertes Gesicht sah, wurde ihm plötzlich noch etwas ganz anderes klar: Arnold war kein Betrüger, kein Angeber und kein Weiberheld. Er war einfach nur ein wirklich netter Kerl, der meinte, was er sagte. Ohne ihr Sonnenlicht wäre Amaterasu in der Menge keinem aufgefallen. Keinem außer Arnold.
»Am liebsten würde ich sie allesamt in König Tanukis Nixenbecken werfen!«, schimpfte die Göttin weiter. »Die hätten ihren Spaß mit den Schandmäulern. König Tanuki füttert die Nixen extra nur einmal in der Woche, damit sie so richtig hungrig sind, wenn die Verurteilten in den See geschubst werden und …«
Irgendetwas in Tobbs’ Hinterkopf hatte schon lange darauf gewartet, leise Klick! sagen zu dürfen. Ihm wurde siedend heiß, als er sich an die peitschenden Wasserfrauen erinnerte. Und mit einem Mal war er sehr, sehr sicher, dass Anguana eine sehr, sehr dumme Idee gehabt hatte.
»Du hast doch gar keine richtigen Sonnenflecken«, sagte Arnold sanft. »Nur ein paar winzige, hübsche Sommersprossen. Sieh selbst!«
»Was hat er denn jetzt vor?«, flüsterte Mamsie Matata misstrauisch.
»Ich werde dir zeigen, dass du schöner bist als alle Frauen auf der Welt!«, rief Ankou über die Schulter zurück und trat zu Tobbs. »Es wäre Verschwendung, deine Schönheit unter Tage zu verstecken. Diener! Gib mir meinen Spiegel!«
Er grinste und zwinkerte Tobbs zu. »Ich hole sie hier schon raus«, raunte er. Und Tobbs stellte fest, dass Ankou Arnold nicht nur ein netter Kerl war, sondern auch ganz und gar nicht unterbelichtet.
»Mitmachen, Mamsie«, befahl Tobbs geistesgegenwärtig. »Streng dich an!«
»Ich soll lügen und ihr erzählen, dass sie überirdisch schön ist?«, flüsterte die Spiegelfrau.
»Ja«, entgegnete Tobbs ungeduldig. »Bitte, Mamsie!«
Ankou nahm den Spiegel aus Tobbs’ Händen und schwenkte ihn herum. Tobbs erhaschte einen Blick auf den Raum, wie er wirklich war: Die Lüster, die von der Decke hingen, waren nur schäbige Tropfsteine, die Diamanten Wassertropfen.
Plötzlich verschwamm dieses Bild und ein völlig anderes tauchte auf: Mamsie Matata hatte offenbar beschlossen, das Spielchen mitzumachen.
Der Raum verwandelte sich und wurde zum Abbild der Prachtkammer – allerdings mit einigen ironischen Kommentaren zur Architektur. Mamsie Matata hatte Schnörkel und viel kitschiges Rosa hinzugefügt. Und im Hintergrund des Spiegelbildes hing eine goldene Putte am Lüster und streckte Amaterasu die Zunge raus.
»Siehst du?«, sagte der Ankou sanft und hielt Amaterasu den Spiegel vor das Gesicht. Das Mädchen blickte zweifelnd hinein, den Fächer immer noch vor Nase und Wangen. Dann senkte es ihn zögernd und hob verblüfft die Augenbrauen. »Oh«, sagte es andächtig. »Ich wusste ja gar nicht, dass ich so … oh!«
Ein strahlendes Lächeln breitete sich über Amaterasus Gesicht und ließ sie nun tatsächlich ganz hübsch aussehen.
»Willst du tanzen?«, fragte Arnold galant. »Wir feiern deine Rückkehr auf die Erde, wie wär’s?«
»Wir haben aber gar keine Musik«, sagte die Sonnengöttin schüchtern, aber mit leuchtenden Augen.
Ankou strahlte. »Kein Problem!«, rief er und warf Tobbs den Spiegel wieder zu. »Mein Diener wird die Musiker zu uns
Weitere Kostenlose Bücher