Die Verschwörung des Bösen
vorkam, das die Sesselträger sangen: »Sokar erneuert das Leben.«
Als zeitweiliger Priester von Anubis schloss er sich den Männern an, die bei der Prozession die erstaunliche Barke von Sokar trugen. Sie sollte die unergründliche Kraft darstellen, die die Seelen der Gerechten auf den Weg zur Auferstehung geleitet. Am Bug hatte sie einen Antilopenkopf. Die Antilope war Seths Tier, dessen Zerstörungskraft aber beherrscht, unterworfen und zu Gunsten des Einklangs genutzt wurde. Daneben befanden sich ein Fisch, der den Gott des Lichts durch die Urgründe der Finsternis führen sollte, und Schwalben aus dem Jenseits. Die Kabine in der Mitte der Barke stellte den Urhügel dar, auf dem sich das Leben jeden Tag von neuem wie »am ersten Tag« zeigte. Auf ihr thronte ein Falkenkopf, zum Zeichen der königlichen Macht und des Sieges der himmlischen Helligkeit über die Dunkelheit des Chaos.
»Gehörte Sokar zu Osiris?«, fragte Iker den Ritualisten, der die Feier im Heiligtum von Sesostris II. leitete.
»Diese Barke bringt seine Feinde weg. Osiris bietet sie sich als Ort der Wandlung und der Stärkung an. Deshalb wird sie nach dieser Feierlichkeit nach Abydos gebracht.«
Abydos… Immer wieder musste Iker an die heilige Stätte denken. War es ihm vielleicht aufgrund seiner neuen Aufgabe erlaubt, irgendwann einmal dort hinzukommen und Isis wieder zu sehen? Gesammelt und voller Inbrunst nahm der junge Mann am Einzug in den Tempel teil, wo er vor weltlichen Blicken geschützt war. Würde ihm Sokar wohl die Hilfe zuteil werden lassen, die er brauchte?
»Was Messerklinge und Schildkröten-Auge anbelangt, besteht nicht der leiseste Zweifel«, berichtete der Stadtvorsteher. »Sie haben tatsächlich früher zur Handelsschifffahrt gehört, wurden aber wegen Diebstahls gefeuert. Als sie auf Gefährte des Windes anheuerten, waren sie Gesetzlose. Aber die anderen Seeleute, der Schiffsführer eingeschlossen, waren vermutlich auch nicht besser.«
»Ein Geisterschiff und eine Geistermannschaft«, folgerte Iker. »Was ist mit den Werften?«
»Ich habe alle Verantwortlichen und alle Handwerker der Schiffswerften befragen lassen, die zur Zeit im Fayum in Betrieb sind. Ihnen zufolge gibt es nichts Ungewöhnliches zu berichten. Allerdings konnte ich nichts über eine Werft in der Nähe des großen Sees, die letztes Jahr geschlossen wurde, in Erfahrung bringen.«
»Der große See ist ein Ziel der Flüchtigen!«
»Falls du dich selbst dort umsehen willst, kann ich dir eine Begleitmannschaft stellen. Ich war zwar der Meinung, dass da alles ruhig und friedlich ist, aber nach allem, was geschehen ist…«
»Ein Bote soll unverzüglich nach Memphis aufbrechen und den Pharao so schnell wie möglich von den schrecklichen Ereignissen unterrichten, die sich in Kahun abgespielt haben.«
Iker bezweifelte, dass die Asiaten gefasst werden konnten, ehe sie in ihren Verstecken verschwanden, die sie bestimmt von langer Hand vorbereitet hatten. Dann war es an Sobek, das unterirdische Widerstandsnest auszuheben, dessen Größe und Reichweite bisher unbekannt blieb. Warum sollte der Feind das, was er in Kahun begonnen hatte, nicht in Memphis fortsetzen wollen?
38
Mit seiner kleinen Mannschaft aus Schürfern und Wachleuten war General Sepi gerade in Nubien eingetroffen, nachdem er vorher die Wüstenlandschaften zu beiden Seiten des Nil-Tals erkundet hatte. Dank der Karten, die ihm die verschiedenen Provinzen zur Verfügung stellten, hatten sie sich kein einziges Mal verirrt.
Bei den Goldgruben, die fast alle aufgegeben waren, hatte der General jeweils kleine Proben genommen, die einer seiner Untergebenen, der auf dem Rückweg nach Memphis war, dem Schatzmeister Senânkh bringen sollte.
Die Gegend wirkte zwar sicher, trotzdem wollten die Goldschürfer nicht weiter in den Süden vordringen.
»Wovor hast du Angst?«, fragte Sepi einen Offizier. »Bist du nicht schon Hunderte Male durch diese Gegend gekommen?«
»Doch, aber ich fürchte mich vor den nubischen Stämmen. Sie verbreiten ständig Angst und Unsicherheit.«
»Sind wir etwa nicht in der Lage, mit so ein paar Halunken fertig zu werden?«
»Die Nubier sind ausgezeichnete Krieger und berüchtigt für ihre Grausamkeit. Wir brauchen unbedingt Verstärkung.«
»Ausgeschlossen, dann wären wir viel zu auffällig. Ich habe den Auftrag, unbemerkt zu bleiben.«
»Vor welchem Feind fürchtet Ihr Euch eigentlich?«
»Das werden wir sehen.«
»Vor einem Wüstenungeheuer vielleicht?«
»Falls
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