Die Verschwörung des Bösen
du lieber etwas anderes essen?«
»Nein, deine Suppe ist ausgezeichnet, aber mir ist der Appetit vergangen.«
»Was plagt dich denn so, Iker?«
»Auch wenn es mir nicht gelingt zu begreifen, warum der Pharao entschlossen ist, mich zu vernichten, mich, einen kleinen unwichtigen Schreiber, muss ich dennoch handeln.«
»Handeln, handeln… Was soll das schon wieder heißen?«, fragte Sekari ungeduldig.
»Wenn man die Wurzel des Übels kennt, muss man sie doch ausreißen, habe ich Recht?«
»Ihr Schreiber – ihr erfindet immer für alles irgendwelche Rechtfertigungen! Ich bin ein einfacher Mensch und kann dir nur raten, allen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Du hast ein Haus, einen Beruf, eine gesicherte Zukunft… Warum willst du es dir unbedingt schwer machen?«
»Entscheidend ist, was mir mein Gewissen befiehlt«, sagte Iker.
»Wenn du so geziert daherredest, muss ich passen!
Allerdings ist da etwas, was ich dir sagen sollte…« Sekari setzte eine gelangweilte Miene auf. »Es handelt sich um eine traurige Entdeckung«, gestand er, »aber wahrscheinlich willst du gar nichts davon hören.«
»O doch, ganz im Gegenteil!«
»Es geht um deinen Talisman aus Elfenbein, der deinen Schlaf bewacht hat, bis er dir gestohlen wurde.«
»Hast du ihn etwa wiedergefunden?«
»Ja und nein… Der Dieb hat ihn in tausend Stücke geschlagen und im Unkraut verstreut. Das war vielleicht der nette Mann, der dich überfallen und dessen Leiche man dann später aus einem Kanal gefischt hat. Man kann die Figur unmöglich wieder zusammensetzen. Für mich ist das kein gutes Zeichen. Was auch immer du für Pläne haben solltest, verzichte darauf.«
»Ich habe doch noch immer die kleinen Amulette, die du mir einmal geschenkt hast. Bin ich mit den Falken, den irdischen Boten des Himmelsgottes Horus, und den Pavianen von Thot, dem Herrn der Schreiber, nicht genug geschützt?«
»Dafür sind diese Amulette wirklich viel zu klein! An deiner Stelle würde ich mich nicht zu sehr auf sie verlassen.«
Unter Ikers abwesendem Blick aß Sekari seine Suppe auf.
»Beim nächsten Mal würze ich sie noch anders. Was meinst du, gehen wir schlafen? Morgen müssen wir früh raus und arbeiten.«
Iker war einverstanden.
Auf der Türschwelle des kleinen Hauses rollte Sekari eine bequeme Schlafmatte aus und legte sich nieder. Seit dem Überfall, den Iker beinahe nicht überlebt hätte, war sein Diener vorsichtig geworden.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass Sekari tief und fest schlief, verließ Iker sein Haus über die Terrasse. Als er ganz sicher war, dass ihm niemand folgte, verschwand er in einem der tadellos sauberen Gässchen und wartete dort geraume Zeit ab.
Kahun war eine erstaunliche Stadt. Erbaut nach dem goldenen Schnitt, war sie in zwei Hauptviertel unterteilt. Das westliche Stadtviertel umfasste zweihundert Häuser mittlerer Größe, im östlichen Viertel lagen mehrere stattliche Villen mit teilweise bis zu siebzig Zimmern. Den Nordosten der Stadt beherrschte das riesige Anwesen des Stadtvorstehers, das auf einer Art Akropolis thronte.
Iker war sich nicht mehr im Klaren, was er von dem Stadtvorsteher zu halten hatte. Einerseits war er eine bedeutende Persönlichkeit und hatte ihn eingestellt und seine berufliche Laufbahn gefördert; andererseits war er ganz ohne Zweifel ein treuer Diener des Pharaos. War der junge Schreiber vielleicht weiter nichts als eine willenlose Figur in einem Spiel, dessen Regeln er nicht kannte?
Als alles ruhig blieb, machte sich Iker auf den Weg zu seiner Verabredung. Weder der Stadtvorsteher noch sein Vorgesetzter, Heremsaf, wussten von seinen Beziehungen zu einer jungen Asiatin namens Bina. Bina war eine Dienerin, die weder schreiben noch lesen konnte, aber wie Iker gegen die Tyrannei von Sesostris kämpfte.
Die junge Frau erwartete ihn in einem leerstehenden Haus, dessen Tür sie sofort hinter Iker schloss. Dann brachte sie ihn in einen Vorratsraum, in dem sie vor neugierigen Zuhörern sicher waren.
Bina war dunkelhäutig und von natürlicher Anmut.
»Hast du alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen, Iker?«, fragte sie.
»Hältst du mich etwa für nachlässig?«
»Nein, natürlich nicht! Aber ich habe solche Angst… Findest du nicht, du solltest mich ein bisschen beruhigen?« Mit diesen Worten schmiegte sie sich an Iker, der aber auf diesen Annäherungsversuch nicht reagierte. Jedes Mal, wenn sie ihn verführen wollte, tauchte das Gesicht der jungen Priesterin vor ihm auf und
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