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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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Welt in die Dunkelheit hinaus. An Schlafen dachte niemand. Die meisten Sterne lagen hinter dicken Wolken. Und der Mond war längst verschwunden, der Nachen seiner weißen Sichel in einen unbekannten Hafen eingelaufen.
    Der Navigator beschäftigte sich wieder mit seinen Instrumenten, aber sein Gesicht drückte Ratlosigkeit aus. Und die übrigen Männer starrten hinaus, um etwas zu erkennen. Sie lasen, soweit sie es vermochten, den Stand von Georgsharfe, Pegasus, Tigerthier und Berg Maenalus vom Himmel ab, jedes kleinste, sichtbare Ereignis wurde begierig aufgenommen. Jedes winzige Zeichen, konnte entscheidend sein und musste gedeutet werden.
    Dies war der Zeitpunkt, an dem sich die Männer, um wieder zu Verstand zu kommen, fragten, woran sie eigentlich glaubten. Henri de Roslin lauschte ihren lebendigen, kehligen Stimmen mit den Akzenten der provenzalischen Küstenregionen, im Brüllen des Meeres und im Schweigen unter diesem befremdlichen Himmel.
    Als der Morgen graute, gab es die Karavelle immer noch. Der Priester sprach ein Dankgebet. Selbst die verletzte Seeschwalbe flatterte umher.
    Aber noch bevor die Seeleute sich darüber klar werden konnten, warum die spanische Küste unter der aufgehenden Sonne nicht in Sicht kam, nahm der Sturm ohne Vorwarnung wieder zu. Eben noch war das Meer in fast völliger Windstille ölig glatt gewesen. Jetzt sah es grauschwarz aus wie verdorbener Fisch. Ein heimtückischer Wind kroch in Gegenrichtung zum Schatten der am Bug angenagelten Sonnenuhr aus Nordosten nach Südwesten. Der Kapitän war erfahren genug, um zu wissen, dass ein solcher Wind in diesen Breiten einen weiteren gefährlichen Sturm ankündigte. Man beobachtete die Wetterinstrumente.
    Der Kapitän vertraute sich Henri an. »Die Wetter laufen gewöhnlich von links nach rechts. Ein trockener Sturm immer, nur ein nasser Sturm in Ausnahmefällen nicht. Dies hier ist so ein verdammter Ausnahmefall!«
    Ein Matrose, der neben Henri an der Reling stand, brachte es auf den Punkt: »Es ist ein kranker Wind!«
    Der Himmel bedeckte sich, aus dem Meer erhob sich plötzlich ein lautes Brüllen. Die Wasseroberfläche raute auf, als drängten Millionen von Tieren aus dem Meeresgrund herauf ans Licht. Wasserberge türmten sich erneut auf, bauten sich himmelhoch hinter der Karavelle auf und stürzten als Brecher auf sie, um das Schiff zu begraben. Der Abstand, in dem die Wellen kamen, wurde immer kürzer; sie schlugen aufeinander, die zurückrollenden Wellen brachen sich auf den nachdrängenden. Und mittendrin die Karavelle, die nur eines schaffen konnte – nicht querzuschlagen. Alle Matrosen kämpften verbissen dagegen an.
    Eine volle Breitseite traf die Karavelle in einem Moment, als die Besatzung an Luv mit der Beseitigung des Wasserschadens beschäftigt war. Das Schiff wurde nach links geschleudert. Nur das beherzte Emporklettern der gesamten Besatzung auf dem sich schon gefährlich neigenden Deck verhinderte das Leckschlagen. Die Karavelle schwankte einen Moment lang zwischen Umkippen und Schwimmen, konnte sich nicht entscheiden – und senkte sich ächzend wieder.
    Als die Mannschaft danach durchgezählt wurde, fehlten vier weitere Männer.
    Vor ihnen schien nun ein Höllenschlund zu liegen, aus dessen aufgerissenem Rachen heißer Atem und üble Gerüche kamen. Beides fuhr in das Meer und wühlte es wütend auf. Heulend tobte der heiße Atem in der Takelage. Die erfahrensten Seeleute kannten diese Geräusche, sie waren gewohnt, die Stärke eines Sturmes danach zu beurteilen. Ein Heulen bedeutete Sturm. Wenn der Wind sich aber der Orkanstärke näherte, dann schrie er.
    Er schrie.
    Würde man jetzt den Wracks all jener Schiffe begegnen, die an der Stätte des kranken Windes schon vor ihnen zerschellt waren? Oder traf man sie unversehrt jenseits der Wetterbarriere, im neuen Glanz des unwirklichen Lichtes einer anderen Welt, von der die Schriftkundigen und Geistlichen erzählten?
    Henri wünschte sich, die Geheimnisse der Kabbala schon jetzt zu kennen. Denn wenn es stimmte, dass einem die Menschen und die Dinge zu Willen sein mussten, sobald man ihren wahren, ihren geheimen Namen kannte und Buchstabe für Buchstabe aussprach, dann würde er die Unwetter bändigen. Er würde sagen: »Sturm!« Und der Sturm würde ihn anblicken und ergeben auf seine Befehle warten. Henri schüttelte den Kopf. Nein, so einfach war es sicher nicht. Daran glaubten nur die Narren und die Hexen. Vielleicht stimmte überhaupt nichts von dem, was die

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