Komplott
Prolog
Die Frau, mit der Tweed zu Abend aß, war nicht nur außergewöhnlich schön, sondern auch zutiefst verängstigt. Während er ein Stück von seiner Seezunge löste, sah er sie quer über den Tisch an. Die Frau trug ein teures, eng geschnittenes lilafarbenes Kleid, und ihr volles, blondes Haar fiel ihr in weichen Wellen auf die nackten Schultern.
Tweed hob sein Weinglas und sah ihr tief in die Augen.
»Sie sehen aus, als ob Sie Schutz benötigten«, sagte er. »Etwas – oder jemand – scheint Sie zu beunruhigen. Wenn ich Bob Newman richtig verstanden habe, dann wollten Sie heute einen Rat von mir.«
»Das stimmt. Als stellvertretender Direktor des SIS und ehemaliger Top-Ermittler von Scotland Yard sind Sie genau der Richtige, um mich zu beraten. Mein Problem ist, dass mir ein sehr mächtiger Mann seit einiger Zeit seine Aufmerksamkeit schenkt.«
»Wie heißt er?«
»Das möchte ich Ihnen vorläufig nicht sagen. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür.«
»Verständnis habe ich schon, aber wenn Sie mir den Namen nicht sagen, kann ich wenig tun.«
Tweed ließ seinen Blick über die anderen Gäste im Mungano’s schweifen, das seit einiger Zeit als das mondänste Lokal in ganz London galt. Wenn man über weniger gute Beziehungen als Tweed verfügte, musste man sich auf einer langen Warteliste eintragen lassen, um hier essen zu können. Auch jetzt war das achteckige Restaurant mit Blick über die Themse fast voll, und Tweed hatte alle seine Überredungskünste aufbieten müssen, um vom Oberkellner einen Tisch in einer etwas ruhigeren Ecke zu bekommen, in der sie nicht allzu viel vom Geplauder der anderen Gäste mitbekamen.
»Lassen Sie mir Zeit«, sagte Viola. »Ich muss es mir noch einmal durch den Kopf gehen lassen.« Sie stieß mit Tweed an und trank einen Schluck aus ihrem Glas. »Hoffentlich sehen Sie den Abend jetzt nicht als Zeitverschwendung an.«
»Ein Gespräch mit einer so attraktiven Frau wie Ihnen kann man wohl schwerlich als Zeitverschwendung bezeichnen«, antwortete Tweed galant.
Er trank ihr lächelnd zu und sah sie sich noch einmal genauer an. Viola Vander-Browne war Anfang vierzig und hatte eine nahezu perfekte Figur. Unter ihren blonden Augenbrauen blitzte ein Paar großer blauer Augen, und ihre gerade Nase trug ebenso zur klassischen Schönheit ihres Gesichts bei wie ihr sinnlicher Mund und ein entschlossen vorgerecktes Kinn, das außerdem auf einen starken Charakter schließen ließ.
Während Tweed sie nachdenklich betrachtete, erinnerte er sich daran, wie dieses Treffen zustande gekommen war…
Am Vormittag hatte Bob Newman, einer von Tweeds wichtigsten Mitarbeitern beim SIS, ihn sofort angesprochen, kaum dass er in das Büro in der Park Crescent gekommen war…
»Worum geht es denn?«, fragte Tweed, während er seinen Mantel aufhängte und sich an seinen Schreibtisch setzte.
»Ich möchte, dass Sie sich mit einer entfernten Bekannten von mir treffen. Sie heißt Viola Vander-Browne und ist eine echte Schönheit. Vielleicht haben Sie ja schon von ihr gehört.«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Trotz ihres guten Aussehens ist sie keines von diesen oberflächlichen Society-Püppchen, die nur über die neueste Mode und ihre jüngsten Eroberungen reden können. Im Gegenteil, sie ist eine äußerst gebildete Frau, die auf der Roedean School war. Viola hat möglicherweise wichtige Informationen über die Triade.«
Die Triade, das war eine üble Geschichte, die Tweed momentan schwer zu schaffen machte. Hinter diesem Begriff, das hatte er unlängst herausbekommen, verbargen sich drei Staatssekretäre, die es sich in den Kopf gesetzt hatten, den SIS, den MI5, die Polizei und die Küstenwache unter dem Namen »Staatsschutz« zu einer Superbehörde mit praktisch uneingeschränkten Machtbefugnissen zu vereinigen.
Allein die Erwähnung des Wortes jagte Tweed, der diesen Plan von an Anfang heftig bekämpft hatte, einen kalten Schauder über den Rücken. Sollte dieses Projekt jemals Wirklichkeit werden, würde es Großbritannien in einen Polizeistaat verwandeln.
»Was hat diese Viola Vander-Browne denn mit der Triade zu tun?«, wollte er wissen.
»Ich vermute, dass sie einen der drei Staatssekretäre kennt, aber ich habe keine Ahnung, welchen von ihnen. Sie wollte ausdrücklich nur mit unserem besten Mann sprechen – und das sind nun mal Sie.«
»Woher kennen Sie diese Frau?«, fragte Tweed.
»Wie schon gesagt, sie ist eine Bekannte von mir …«, begann Newman.
»Nur eine Bekannte
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