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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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befreite, das Instrument zu stützen, das nun durch bloßen Druck des Kinns auf das Schlüsselbein gehalten werden konnte. Dank Spohr konnte die Hand des Geigers frei über das Griffbrett wandern und sich darauf konzentrieren, den Tönen mittels raschen Hin- und Herbewegens des Fingers auf der Geigensaite – dem Vibrato – zusätzliche Ausdruckskraft zu verleihen. Böse Zungen – von denen es in der klassischen Musik reichlich gibt – behaupteten, Larrazábal verzichte aus reiner Eitelkeit auf den Kinnhalter. Das Reiben des Kinnhalters auf der Haut ruft einen unschönen dunklen Fleck unter dem Kinn hervor, der im Volksmund auch »Geigerfleck« genannt wird. Um eine bakterielle Infektion durch die Reibung und den Schweiß zu vermeiden, legen die meisten Musiker ein Tuch zwischen Kinn und Kinnhalter, aber dennoch leiden manche unter teils schwerwiegenden allergischen Krankheitsbildern. Viele müssen die Stelle regelmäßig mit heißen Umschlägen mit Aloe Vera behandeln.
    Die Lästermäuler vertraten folglich die These, Ane Larrazábal opfere die Ausdrucksstärke ihres Vibratos der Eitelkeit, um ihr entzückendes Kinn makellos zu erhalten. Dabei gab es in Wirklichkeit auch rein musikalische Gründe für den Verzicht auf den Kinnhalter, die über eine schlichte Nachahmung von Paganinis Spieltechnik hinausgingen: Beim direkten Kontakt zwischen Klangkörper und Körper der Musikerin spürt diese die Vibrationen viel stärker. Überdies werden sowohl die Schulterstütze als auch der Kinnhalter mit zwei kleinen Metallstangen am Klangkörper festgeklemmt, und viele vertreten die Meinung, dass dies das Timbre des Instruments beeinträchtige und auf lange Sicht das Holz beschädige.
    Perdomo musste nicht viel von Musik verstehen, um zu erkennen, dass Larrazábal auch die kompliziertesten Passagen von Paganinis Concerto mit einer unfassbaren Leichtigkeit bewältigte. Geige zu spielen, schien für sie so natürlich zu sein wie zu atmen. Wenn ihr Blick den von Agostini traf – in Passagen, in denen er ihr einen Einsatz geben musste –, verzog ihre konzentrierte, aber heitere Miene sich zu einem charmanten Lächeln, das dem gesamten Saal vermittelte, welchen künstlerischen Genuss sie aus dieser Musik bezog. Von Paganinis sechs Konzerten für Violine und Orchester war La Campanella vielleicht das inspirierteste – hier war dem Genuesen die Entwicklung seiner Ideen wichtiger gewesen als der Aspekt des rein Spektakulären. Der dritte Satz, der die Form eines Rondo hatte, gefiel dem Polizisten selbstverständlich am besten. Sogar Musiker vom Format eines Franz Liszt waren der bezaubernden Melodie des Refrains verfallen – er hatte das Stück für Klavier umgeschrieben. Perdomo staunte über die sehr feinen, beinahe unhörbaren Töne, die die Diva ihrem Instrument zuweilen entlockte, und konnte der Versuchung nicht widerstehen, seinen Sohn danach zu fragen.
    »Wie macht sie das?«
    »Das sind Flageoletttöne«, flüsterte Gregorio. »Man legt dabei nur ganz leicht die Fingerkuppen auf die Saite.«
    An einem bestimmten Punkt stand der Inspector kurz davor, gewaltig ins Fettnäpfchen zu treten, denn als ein heftiges ›TA-TAA‹ des Orchesters ertönte, dachte er, das Rondo sei zu Ende, und hätte beinahe wie wild applaudiert. Doch die Musik ging noch mehrere Minuten weiter und bereitete ihm zahlreiche sehr angenehme Überraschungen, etwa bei einer Passage, in der Orchester und Solistin eine Spieldose imitierten, was der Inspector ganz entzückend fand. Die beiden letzten Takte des Rondo gingen schon im tosenden Applaus unter – das Publikum war außer sich vor Begeisterung.
    Dirigent und Solistin bedankten sich mit den üblichen Verbeugungen für die stürmischen Ovationen, und der sichtlich gerührte Agostini küsste Larrazábal und überreichte ihr einen gewaltigen Blumenstrauß, den sie kaum mit einer Hand fassen konnte – in der anderen hielt sie noch Violine und Bogen.
    Der Maestro ließ sämtliche Musiker aufstehen, damit sie am Beifall teilhaben konnten, und verschwand dann in Begleitung der Geigerin von der Bühne, obwohl der Applaus keineswegs nachließ, sondern im Gegenteil eher noch lauter wurde: Die Zuhörer forderten vom eigentlichen Star des Abends – Ane Larrazábal – eine Zugabe, und sie kehrte auch sogleich zurück auf die Bühne, diesmal allerdings ohne Agostini. Die Diva ließ sich nicht lange bitten, sondern ersuchte das Publikum um Ruhe und kündigte dann die Zugabe an: » Capriccio

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