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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Beim Anblick der wunderschönen Solistin verschlug es Perdomo den Atem, doch er verkniff sich jede diesbezügliche Bemerkung. Gregorio schien die Traurigkeit, die ihn bei der Erinnerung an seine Mutter überkommen hatte, überwunden zu haben, denn er wandte sich an seinen Vater, um ihm die Sitzanordnung der Musiker zu erklären.
    »Links von uns sind die ersten Geigen, rechts die Celli. Vor uns die zweiten Geigen und die Bratschen, und hinter den Celli die Kontrabässe.«
    »Warum gibt es ein Geländer am Dirigentenpult? Ist schon mal ein Dirigent ins Parkett gefallen?«
    »Papa! Warum fragst du so dummes Zeug?«
    »Damit wir beide ein bisschen lachen können. Ich mache so was zum ersten Mal und bin ein bisschen nervös. Wusstest du eigentlich, dass –« Unvermittelt überkam Perdomo ein Hustenanfall, der so heftig war, dass er sich sekundenlang auf seinem Sitz zusammenkrümmte – unter dem entsetzten Blick seines Sohnes.
    »Wenn du während des Konzerts so husten musst, ist das das Ende. Dann müssen wir gehen.«
    »Das mache ich doch nicht absichtlich, Gregorio. Du weißt doch, ich habe diese Allergie, die mir auf die Bronchien schlägt, jetzt im Frühling. Hab ein bisschen Mitleid mit deinem armen Vater, ja?«
    Der Junge zog ein Päckchen Hustenbonbons aus der Tasche.
    »Hier, nimm eins davon.«
    Perdomo wickelte das Bonbon aus und steckte es sich in den Mund. Als er sah, dass Gregorio die Bonbons wieder einstecken wollte, sagte er: »Gib mir lieber noch eins, falls ich noch einen Hustenanfall bekomme.«
    Der Junge gehorchte, warnte seinen Vater jedoch: »Wickel es jetzt schon aus. Die zweitschlimmste Störung bei einem Konzert nach einem Hustenanfall ist, wenn jemand mit einem Papierchen raschelt.«
    Ein Mann, der in der Reihe hinter ihnen saß, klopfte Perdomo zwei Mal leicht auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Der Inspector drehte sich um und erblickte einen Journalisten von El País, der über ein Verbrechen berichtet hatte, welches die Polizei jahrelang in Atem gehalten hatte. Perdomo hatte geholfen, es aufzuklären.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie Musikliebhaber sind«, sagte der Reporter.
    »Ich auch nicht. Ich begleite meinen Sohn.«
    »Gratuliere zu der Sache mit El Boalo. Es ist schön, wenn so schwierige Fälle ein für alle Mal gelöst werden.«
    »Ehrlich gesagt habe ich einfach nur Glück gehabt.«
    »Trotzdem, meinen aufrichtigen Glückwunsch.«
    Der Journalist schüttelte ihm herzlich die Hand, und Perdomo drehte sich wieder nach vorne um. Gregorio war beeindruckt davon, welche Bewunderung sein Vater in dem Reporter geweckt hatte, und fragte: »Was war denn die Sache mit El Boalo?«
    »Vor kurzem habe ich der Guardia Civil geholfen, einen Fall aufzuklären. Dabei haben wir in einem Dorf namens El Boalo in der Nähe von Madrid einen Mörder festgenommen.«
    »Erzähl doch mal.«
    »Nein, das ist zu grausam. Lass uns jetzt einfach die Musik genießen.«
    »Komm schon, Papa. Wenn ich nach Hause komme, kann ich bei Google nach ›Verbrechen von El Boalo‹ suchen und kriege doch alles raus. Aber ich fände es schöner, wenn du es mir erzählst.«
    Perdomo seufzte resigniert, verfluchte innerlich das Internet und erzählte seinem Sohn so knapp wie möglich, worin sein Beitrag zur Lösung des Falls um den sogenannten »Einhorn-Mörder« bestanden hatte. Der Täter war ein Psychopath, der in den vergangenen Jahren dreizehn Frauen ermordet hatte. Die Mordwaffe war das Horn eines Narwals gewesen.
    »Also gibt es in Spanien auch Serienmörder wie in den Spielfilmen?«, fragte Gregorio, als sein Vater geendet hatte. »Das nehme ich für unser Kreuzworträtsel.«
    Er zog einen Bleistift und ein kleines Notizbuch aus der Hosentasche und notierte sich etwas.
    »Was ist das?«, fragte sein Vater.
    »Mein Ideenheft. Ich hab dir doch erzählt, dieses Jahr bin ich für Rätsel und Spiele in unserer Schülerzeitung zuständig, und was du mir gerade erzählt hast, kann ich für das Kreuzworträtsel gebrauchen. Tötete dreizehn Frauen: E-I-N-H-O-R-N.«
    »Rätsel und Spiele, ja? Und du musst sie dir ausdenken?«
    »Klar. Deshalb das Heft. Alle Ideen, die mir kommen, schreibe ich sofort auf, damit ich sie nicht vergesse.«
    Der Inspector nutzte die kurze Zeit, die noch bis zum Auftritt von Dirigent und Orchester blieb, um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was für ein Publikum die Geigendiva angezogen hatte. Sämtliche Typen waren vertreten, von Teenagern in Jeans bis hin zu fein

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