Die Wälder von Albion
der Feststellung, er hätte den Arm auch verlieren können.
Die Tage waren für ihn nur erträglich, weil Eilan stets zwei-oder dreimal zu ihm kam. Sie schien die Aufgabe übernommen zu haben, ihn zu pflegen. Sie brachte ihm die Mahlzeiten und half ihm beim Essen. Er konnte noch immer kaum den Löffel halten und war nicht in der Lage, das Fleisch zu schneiden.
Seit dem Tod seiner Mutter war er keiner Frau mehr so nahe gewesen. Jetzt wurde ihm plötzlich bewußt, wie sehr ihm das gefehlt hatte. Er konnte nicht sagen, ob es nur daran lag, daß Eilan eine Frau war, oder daran, daß sie zum Volk seiner Mutter gehörte. Vielleicht bestand zwischen ihnen auch ein geistiges Band, das über solche faßbaren Dinge hinausging. Jedenfalls fühlte er sich in ihrer Gegenwart wohl und konnte ihr gegenüber so natürlich sein, wie er es sich niemals hätte träumen lassen. In den langen Stunden, in denen er allein im Bett lag, kreisten seine Gedanken nur um Eilan. Und wenn sie endlich zu ihm kam, freute er sich jedesmal mehr.
Eines morgens schlugen Cynric und Rheis vor, er solle sich eine Weile hinaus in die Sonne setzen und auch versuchen, wieder zu gehen. Unter großen Schmerzen humpelte er in den Hof. Dort entdeckte ihn die kleine Senara. Sie erzählte ihm aufgeregt, daß sie und Eilan auf die Wiese gehen und Blumen pflücken wollten, um Girlanden für das Beltanefest am nächsten Tag zu flechten.
Normalerweise hätte Gaius wenig Lust gehabt, mit ein paar Frauen Blumen pflücken zu gehen. Aber nach den letzten Tagen im Bett wäre ihm selbst ein Ausflug in den Stall, um Mairi oder der Kuhmagd beim Melken zuzusehen, als eine erfreuliche Abwechslung erschienen.
Schließlich wurde aus dem Spaziergang eher eine Art Essen im Freien, denn auch Cynric und Dieda schlossen sich ihnen an. Die jungen Frauen kommandierten Cynric herum, als sei er wirklich ihr Bruder, und er mußte ihre Umschlagtücher und den Korb mit dem Essen tragen.
Als sie sich auf den Weg machten, reichte ihm Eilan den Arm, und Gaius stützte sich schwerer auf sie, als er eigentlich wollte. Auch Senara wich nicht von seiner Seite. Cynric und Dieda gingen zusammen voraus. Ihre Zuneigung schien mehr als geschwisterlich zu sein. Sie flüsterten verliebt miteinander, und Gaius fragte sich, ob sie vielleicht einander versprochen waren. Er wußte wenig über die Sitten dieses Stamms, aber er war klug genug, um die beiden nicht direkt danach zu fragen.
Auf der Wiese packten sie den Korb aus und legten den Inhalt ins Gras. Es gab frisch gebackenes Brot, kaltes Bratenfleisch und Äpfel. Sie waren verschrumpelt und hatten braune Flecken. Die Frauen sagten, es seien die letzten vom vergangenen Jahr.
»Ich werde für Gawen Beeren suchen!« rief Senara und sprang auf.
Eilan lachte: »Dummchen, es ist doch Frühling. Glaubst du, unser Gast ist eine Ziege und du kannst ihn mit Blumen füttern?«
Gaius aß wenig. Normalerweise wäre er mühelos stundenlang gelaufen, aber nach den Tagen im Bett war er einfach zu schwach.
Es gab eingemachten Beerensaft und frisch gebrautes Bier zu trinken. Dieda ließ sich von Cynric das Trinkhorn reichen. Sie fand das Bier zu sauer, aber Gaius und Cynric schmeckte es. Eilan hatte sogar Kuchen gebacken.
Nach dem Essen ging Senara mit einer Schale zu einem Bach am Rand der Wiese und füllte sie mit klarem Wasser. Als sie zurückkam, reichte sie die Schale Eilan und rief: »Du mußt in das Wasser sehen. Vielleicht siehst du deinen Liebsten.«
»Das ist ein alter Aberglaube«, erwiderte Eilan. »Außerdem habe ich keinen Liebsten.«
»Gib mir die Schale«, sagte Cynric. »Vielleicht sehe ich ja dein Gesicht darin, Dieda.«
Sie setzte sich neben ihn und blickte ihm über die Schulter.
»Ach, das ist doch alles Unsinn«, murmelte sie verlegen. Gaius fand, daß sie viel hübscher war, wenn sie errötete.
»Du mußt auch ins Wasser schauen, Eilan«, drängte die kleine Senara ihre Schwester und zog sie am Ärmel.
Eilan erwiderte abwehrend: »Ich glaube, es ist nicht richtig, wenn wir die Göttin auf diese Weise zwingen wollen, zu uns zu sprechen! Lhiannon würde das bestimmt nicht billigen.«
»Wen kümmert schon Lhiannons Meinung?« sagte Dieda abschätzig. »Wir wissen doch alle, daß sie nur das sagt, was ihr die Priester vorschreiben.«
»Dein Vater ist da anderer Meinung«, sagte Cynric stirnrunzelnd.
»Das stimmt.« Dieda nickte. »Deshalb mußt du es natürlich auch sein.«
Senara rief ungeduldig: »Nun sag schon, wen du im Wasser
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