Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
verlieren und als Bettler durch die Lande ziehen müssen.«
»Wir wollen ein so mutiges Mädchen nicht der Heimat berauben, sondern als Unsere Untertanin in Unserem Fürstentum behalten«, sagte Ludwig Friedrich nach kurzem Überlegen und wies mit seinem Gehstock auf den Amtmann von Königsee.
»Kümmere Er sich darum! Der Jungfer und ihrer Familie muss geholfen werden. Die ehrenhaften Bürger Seines Amtsbezirks werden ihr gewiss eine Belohnung aussetzen, mit der sie ihre Schulden begleichen und eine Weile davon leben kann. Er wird sich auch um das andere Mädchen kümmern. Soweit Wir wissen, besitzt es keine Verwandtschaft. Sorge Er dafür, dass sie nicht als Bettlerin aus Unserem Fürstentum scheiden muss. Würde dies geschehen, wäre es dem Ansehen des Hauses Schwarzburg-Rudolstadt abträglich.«
»Sehr wohl, Euer Hoheit!« Der Amtmann verbeugte sich, doch Klara sah ihm an, wie wenig es ihm passte, die gesamte Verantwortung für Dieta und sie aufgehalst zu bekommen. Sie selbst wollte sich bereits bei dem Fürsten bedanken, als ihr einfiel, dass es ihr und ihrer Mutter kaum etwas bringen würde, wenn ihre Schulden bei Just beglichen und die Steuern erlassen wurden. Im nächsten Jahr würde ihr Privileg, als Wanderapotheker durch die Lande ziehen zu können, erlöschen, weil niemand es wahrnahm. Dies hieß für sie, ihre Mutter und ihre jüngeren Geschwister, auf Dauer als Tagelöhner leben zu müssen und irgendwann doch ihr Heim zu verlieren. Kurzentschlossen sank sie vor Ludwig Friedrich auf die Knie.
»Darf ich noch eine Gunst erbitten, Euer Hoheit?«
Das Gesicht des Fürsten nahm einen abweisenden Zug an. »Was willst du noch?«
»Seit drei Generationen wird das Recht, als Wanderapotheker gehen zu können, in unserer Familie vom Vater auf den Sohn vererbt. Mein jüngerer Bruder ist jedoch zu klein, um es ausüben zu können. Daher bitte ich Euer Hoheit, mir das Privileg zu übertragen, so lange als Wanderapothekerin wirken zu können, bis Albert alt genug ist, um das Reff selbst tragen zu können.«
Dieser Gedanke war Klara eben erst gekommen, doch flehte sie in Gedanken den Fürsten an, ihn auch zu erfüllen. Wohl war sie kein Mann, galt aber als kräftiges Mädchen und war überzeugt, sich in der Welt behaupten zu können. Außerdem, so sagte sie sich, fand sie unterwegs vielleicht sogar eine Spur ihres Bruders – oder gar ihn selbst.
Das Gesicht des Fürsten glättete sich, denn das Mädchen hatte nichts verlangt, für das er selbst in die Tasche hätte greifen müssen. Zudem war es ein Akt der Gnade, einer Familie den Broterwerb zu erhalten. Ob Klara Schneidt in der Lage sein würde, sich dieser Gnade wert zu erweisen, lag in ihrer eigenen Hand.
Mit einem schwer zu deutenden Lächeln auf den Lippen wandte er sich an seinen ersten Minister. »Beulwitz, kümmere Er sich darum, dass das Begehren der Jungfer erfüllt wird!«
Während der Höfling sich verbeugte, schritt der Fürst weiter zu dem Gefangenen und musterte diesen durchdringend. »Er hat gegen Gottes Gebot und Unser Gesetz verstoßen und wird dafür bestraft werden. Bringt ihn weg!« Dann hob er noch einmal die Hand zum Gruß und kehrte in das Schloss zurück.
Klara sah ihm erleichtert nach, bis ein Schatten auf sie fiel. Als sie sich umdrehte, sah sie Tobias vor sich stehen. Er tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn.
»Du bist verrückt, weißt du das? Du kannst nicht als Wanderapothekerin gehen!«
»Und warum nicht? Nur weil du es sagst?«, fuhr sie ihn an und kehrte ihm den Rücken zu.
Zweiter Teil
Aufbruch
1.
R umold Just hieb mit der Faust auf den Tisch. »Das ist unmöglich! Wann hätte man je davon gehört, dass eine Frau als Buckelapothekerin auf Wanderschaft gegangen wäre? Mit mir ist das nicht zu machen!«
»Dann wirst du dem Amtmann mitteilen müssen, dass du den ausdrücklichen Wunsch Unseres allergnädigsten Fürsten missachtest«, antwortete sein Sohn mit einem feinen Lächeln.
»Rumold, ereifere dich nicht!«, bat Magdalena.
»Ich ereifere mich, wann ich will!«, gab der Laborant grimmig zurück. »Es ist ein Unding, einer Frau, noch dazu so einem unreifen Ding wie Klara Schneidt, eine Strecke anzuvertrauen, die zu den profitabelsten überhaupt gehört. Außerdem kann keine Frau das Reff über so viele Meilen tragen. Punkt!«
»Seine Hoheit Ludwig Friedrich hat es so bestimmt«, wandte sein Sohn ein.
Tobias passte es zwar ebenfalls nicht, dass Klara sich auf eine so anstrengende und gefährliche
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