Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
wird alles gut werden, Mama. Ich komme im Herbst zurück, und dann haben wir so viel Geld, dass uns der Winter nicht mehr schrecken kann.«
»Es wäre auch leichter gegangen, Schwägerin, wenn du vernünftig gewesen wärst!«, antwortete Alois Schneidt, um die Witwe an den versteckten Schatz ihres Mannes zu erinnern.
Klaras Mutter nickte unter Tränen. »Ich hätte nicht auf Klara und damals auch nicht auf Gerold hören sollen, dann wäre mein Junge noch da.«
»Gerold wäre trotzdem als Wanderapotheker auf die Reise gegangen«, wandte Klara ein.
Ihr Onkel hob belehrend den Zeigefinger. »Das hätte er dann nicht mehr tun müssen.«
»Wenn du zurückkommst, erledigen wir das, gleichgültig, was Klara sagt«, versprach die Witwe.
Ihr Schwager nickte erfreut. »Das ist ein Wort, Johanna!«
Dann aber warf er Klara einen kurzen Blick zu und las Abwehr auf ihrem Gesicht. Wenn das Mädchen von seiner Strecke zurückkam und tatsächlich genug Geld mitbrachte, würde die Mutter wieder auf ihre Tochter hören und nicht auf ihn.
»Sie wird verschwinden«, murmelte Alois Schneidt, nahm sein Reff auf den Rücken und den Stock in die Hand. Laut sagte er: »Wir müssen aufbrechen, wenn wir rechtzeitig in Königsee sein wollen. Kommen wir zu spät zum Eid, lässt uns der Amtmann nicht mehr losziehen.«
Klara atmete tief durch, umarmte dann die Mutter und anschließend ihre Geschwister. »Gebt gut auf Mama acht!«, flüsterte sie den beiden zu. »Und seid brav!«
Das Letzte galt in erster Linie Albert, der immer stärker darauf pochte, das einzige männliche Wesen im Haushalt zu sein, und sich daher nichts mehr sagen lassen wollte.
Mit entschlossener Miene wuchtete Klara sich ihr Reff auf den Rücken. Der Wagner hatte es aus extra leichtem Holz für sie angefertigt, so dass sie die gleiche Menge an Arzneien mitnehmen konnte wie Alois Schneidt. Im Augenblick aber waren die Spanschachteln, die Flaschen und der Tonkrug, in den der am besten verkäufliche Balsam gefüllt werden sollte, noch leer. Dafür hatte sie ihre Ersatzkleidung, den gewachsten Kapuzenmantel, der sie gegen Regen schützen sollte, und den Mundvorrat für die nächsten Tage aufgeschnallt.
Auch ihre Kleidung war der langen Wanderung angemessen. An den Füßen steckten dicke Wollstrümpfe und derbe, doppelt genähte Schuhe, statt eines Kleides trug sie einen wadenlangen Lederrock und über dem Hemd ein mit Waid gefärbtes Mieder. Dazu kam ein Überrock, der denen der Männer glich, und ein breitkrempiger, schwarzer Hut.
Klara wusste, dass sie ein seltsames Bild bot, hoffte aber trotzdem auf eine erfolgreiche Reise. Auch sie nahm nun ihren Stock zur Hand, dessen Eisenspitze Schutz gegen Wölfe wie auch gegen aufdringliche Reisende versprach, und folgte dem Onkel, der bereits mehrere Dutzend Schritte vorausgeeilt war. Am Rand des Dorfes blieb sie noch einmal stehen, drehte sich um und winkte. Ihre Mutter hob nur kurz die Hand, während die kleine Liebgard mit beiden Armen wedelte und Albert es ihr nach kurzem Zögern gleichtat.
Noch nie war Klara länger als zwei Tage von ihrer Familie getrennt gewesen. Aber nun würde sie die Mutter und die Kleinen mehrere Monate lang nicht sehen. Bei dem Gedanken schossen ihr Tränen in die Augen. Am liebsten wäre sie zu ihnen zurückgelaufen und hätte die Wanderung gar nicht erst angetreten. Doch dann wäre ihr Onkel im Herbst am Ziel und würde den Schatz, den ihr Vater so lange gehütet hatte, an sich raffen. Dann aber würde ihre Base Reglind noch überheblicher auftreten, während sie selbst und die Mutter froh sein durften, wenn sie nicht als Mägde für die Verwandten arbeiten mussten.
»Niemals!«, stieß sie hervor und schritt mit neu erwachter Kraft hinter Alois Schneidt her.
3.
A uf dem Weg nach Königsee wechselten Klara und ihr Onkel kaum ein Wort. Alois Schneidt legte ein scharfes Tempo vor, dem das Mädchen nur mit Mühe zu folgen vermochte. Doch sie beschwerte sich nicht, sondern biss die Zähne zusammen und schaffte es, an seiner Seite zu bleiben. Als sie die Stadt erreichten, folgten ihnen etliche neugierige Blicke. Es hatte sich herumgesprochen, dass Klara von Fürst Ludwig Friedrich die Erlaubnis erhalten hatte, als Wanderapothekerin zu gehen. Während einige Männer über Klara spotteten, hatten die meisten Frauen Mitleid mit ihr. Neben ihrem baumlangen Onkel wirkte sie so klein und zierlich, dass niemand glaubte, sie könne das mit Arzneien und Essenzen gefüllte Reff nur ein paar Schritte weit
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