Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
Weiber schlichen in ihre Häuser und Katen, schleppten Brot, Schmalz und Würste herbei und legten diese auf frischen Laken aus.
Der Graf griff als Erster zu und erhielt auch den ersten Trunk. Seiner Miene nach stammte das Bier von seinem eigenen Braumeister. Das gute Bier der freundlichen Bäuerin hätte Klara ihm auch nicht gegönnt. Die engere Gefolgschaft des Grafen war ihres Herrn würdig, denn sie gingen mit dem Brot und den Würsten um wie die Sau mit dem Bettelsack. Gutes Brot, auch ganze Würste und Speck wurden in den Dreck geworfen, und man trat sogar noch darauf. Dazu soffen die Männer wie durstige Ochsen.
Eine Frau kam auf Klara zu und reichte ihr einen Krug, eine andere gab ihr Brot und eine halbe Wurst. »Hier, das ist für dich! Dir geben wir es weitaus lieber als einigen anderen.«
Klara begriff, dass diese Bemerkung auf mehrere der Treiber aus dem Residenzort gemünzt war, die sich ein Beispiel an den gräflichen Bediensteten nahmen und das gute Essen ebenfalls vergeudeten.
»Möge Gott es euch vergelten. Möge er euch alles vergelten«, sagte Klara und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Im Gegensatz zu ihrer Laune war die des Grafen ausgezeichnet. Er zielte immer wieder mit kleinen Brot- und Wurststücken nach der sichtlich hungrigen Gefangenen und lachte, als sie versuchte, etwas mit dem Mund zu fangen. Nach einer Weile taten seine Männer es ihm gleich und vergeudeten auch auf diese Weise weitaus mehr Nahrungsmittel, als sie verzehrten. Den Dörflern standen Wut und Hass ins Gesicht geschrieben, doch aus Angst vor dem Grafen blieben sie stumm.
Obwohl das Brot frisch war und die Wurst gut schmeckte, brachte Klara kaum etwas hinunter. Immer wieder suchte ihr Blick die Gefangene, die sich mittlerweile mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben schien. Martha weinte und ließ die Brocken, die man ihr zuwarf, nun unbeachtet. Als jedoch einer der gräflichen Jagdgehilfen auf sie zukam und ihr ein Stück Wurst vor die Nase hielt, schnappte sie zu.
Zuerst glaubte Klara, es hätte der Wurst gegolten. Doch da schrie der Mann voller Schmerz auf. »Das Weib beißt mir die Finger ab!«
Er versuchte, seine Hand loszureißen, doch Martha ließ nicht locker. Schließlich mussten zwei seiner Kameraden die Kiefer der jungen Frau mit einem Messer auseinanderstemmen, um seinen Zeige- und Mittelfinger freizubekommen.
Voller Wut holte er mit der anderen Hand aus und schlug zu. Den ersten Hieb nahm Martha noch mit einem zornigen Fauchen hin, doch als seine beiden Kameraden mit auf sie einprügelten, schrie sie, als stecke sie am Spieß. Aber die Kerle ließen erst von ihr ab, als sie schluchzend am Boden lag.
»Gut gemacht, Männer!«, lobte der Graf und streckte einer Bäuerin seinen leeren Krug hin. »Füllen, und zwar rasch!«
Die Frau gehorchte so hastig, als stände jemand mit der Peitsche hinter ihr. Einen Augenblick lang überlegte Klara sich, ob sie den Frauen nicht eines ihrer Mittel zukommen lassen sollte, die abführend wirkten. Nach einem Blick auf den Grafen gab sie diesen Gedanken wieder auf. Sie hielt ihn für fähig, sich an allen Dorfbewohnern auf hinterhältige Weise zu rächen.
Sie brachte nur ein paar Bissen herunter und steckte den Rest des Brotes und der Wurst in ihre Tasche. Nun musste sie einen Ort finden, an dem sie übernachten konnte. Ihr nächstes Ziel lag zu weit entfernt, um es noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen zu können. In diesem Dorf aber wollte sie nicht bleiben, denn der Graf verkündete eben lautstark, dass er mit seinen Jägern und Treibern hier nächtigen würde. Bei dem Gedanken, erneut im Wald schlafen zu müssen, kam Klara der Bär in den Sinn. Dieser würde gewiss auch vor ihr nicht haltmachen.
Unschlüssig, was sie tun sollte, überhörte Klara beinahe, wie der Graf die Dörfler aufforderte, ihm genug Honig zu bringen, um die Gefangene von oben bis unten damit einschmieren zu können. Einige Frauen schlurften missmutig in ihre Häuser und kehrten mit kleinen Töpfen und Krügen zurück. Graf Benno ließ alles in einen Eimer schütten und war erst zufrieden, als dieser beinahe überlief.
»Jetzt können wir aufbrechen«, rief er und befahl einigen seiner Männer, ihm in den Sattel zu helfen. Während er voranritt, zerrten seine Jagdgehilfen die Gefangene hoch. Martha war so zerschlagen, dass sie kaum mehr gehen konnte. Daher schleiften die rüden Kerle sie wie einen Sack mit sich. Ihnen folgten nur wenige Treiber, und so drehte einer der
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