Die Weisse Massai
jedoch erklärt, nur gegen Bezahlung dürfe er uns fotografieren. Der nette Schweizer ist irritiert, und ich bin beschämt. Er macht zwei Bilder und gibt Lketinga tatsächlich 10 Schillinge. Als er außer Hörweite ist, versuche ich Lketinga klarzumachen, warum man bei Kunden für Fotos nichts verlangen darf. Er kapiert es nicht, sondern wirft mir vor, immer, wenn er Geld verdienen wolle, hätte ich etwas einzuwenden. Jeder Massai verlange Geld für Bilder, warum solle er nichts bekommen. Seine Augen funkeln mich böse an. Müde erwidere ich, daß die anderen aber keinen Shop haben wie wir.
Als neue Kundschaft erscheint, reiße ich mich zusammen und bemühe mich, zuvorkommend zu sein. Mißtrauisch beobachtet mein Mann die Kunden, und kaum faßt einer die Ware an, besteht er darauf, daß sie auch gekauft wird. Geschickt versucht William mit seiner ruhigen Art, die Kunden von Lketinga wegzulocken, um die Situation zu retten.
Zehn Tage nach der Eröffnung haben wir bereits die Ladenmiete hereingeholt. Ich bin stolz auf mich und William. Die meisten Touristen bringen am nächsten Tag neue Leute aus ihrem Hotel mit, und so spricht sich unser Laden herum, weil auch die Preise niedriger sind als in den Hotelboutiquen. Alle drei bis vier Tage muß ich nach Mombasa, um Nachschub zu organisieren.
Da viel nach Goldschmuck gefragt wird, suche ich eine geeignete Vitrine. Es ist nicht so einfach, doch zu guter Letzt finde ich eine Werkstatt, die sie nach Maß anfertigt. Eine Woche später kann ich sie abholen. Für diesen Zweck nehme ich alle Wolldecken mit und parke direkt vor der Werkstatt. Vier Männer bringen die schwere Glasvitrine zum Wagen. Meine Wolldecken sind in den zehn Minuten gestohlen worden, obwohl ich den Wagen verschlossen hatte. Auf der Fahrerseite ist das Schloß aufgebrochen. Der Ladenbesitzer leiht mir alte Säcke und Kartons, damit ich wenigstens den Wagenboden etwas polstern kann. Der Verlust meiner Schweizer Decken ärgert mich sehr. Auch Lketinga wird betrübt sein, daß seine rote Decke verschwunden ist. Enttäuscht fahre ich zurück zur Südküste.
Im Laden ist nur William, der mir vergnügt entgegenkommt und erzählt, er habe für 800 Schillinge Ware verkauft. Ich freue mich mit ihm. Da wir die Vitrine nicht ausladen können, geht er zum Strand, um Freunde zu suchen, die uns helfen. Nach einer halben Stunde erscheint er mit drei Massai, die vorsichtig die schwere Vitrine ausladen und aufstellen. Zum Dank gebe ich allen ein Soda und jedem 10 Schillinge. Ich räume die Vitrine mit Modeschmuck ein, während die anderen vor dem Shop zusammen mit dem Kindermädchen und Napirai ihre Sodas trinken.
Wie immer, wenn eine Arbeit getan ist, erscheint auch mein Mann. In seiner Begleitung ist der Ehemann unseres Kindermädchens. Böse herrscht er seine junge Frau an, und ich sehe die fremden Massai abziehen. Erschrocken frage ich, was los ist, und erfahre von William, der Ehemann wolle nicht, daß seine Frau mit anderen Männern zusammensitzt. Wenn er sie nochmals erwischt, darf sie nicht mehr hier arbeiten. Leider darf ich mich nicht einmischen und muß froh sein, daß nicht auch Lketinga zu schimpfen beginnt. Über den Ehemann des Mädchens bin ich entsetzt, und sie tut mir leid, denn sie steht mit gesenktem Kopf etwas abseits.
Gott sei Dank kommen Kunden, und William stürzt sich mit Eifer auf sie. Nachdem ich aus dem Gespräch höre, daß es Schweizer sind, spreche ich sie an. Sie sind aus Biel. Neugierig möchte ich etwas aus meiner Heimatstadt erfahren. Wir unterhalten uns, und nach einer Weile wollen sie mich auf ein Bier an der China-Bar einladen. Ich frage Lketinga, ob er einverstanden ist. »Why not, Corinne, no problem, if you know these people«, erklärt er großzügig. Natürlich kenne ich das Pärchen nicht, das etwa in meinem Alter ist und vielleicht ehemalige Freunde von mir kennt.
Wir bleiben eine Stunde an der Bar, ehe wir uns verabschieden. Kaum bin ich zurück, fängt die Fragerei wieder an. Woher ich diese Leute kenne? Warum ich mit dem Mann soviel gelacht habe? Ob er ein Freund von Marco sei oder gar einmal mein Freund war? Fragen über Fragen und immer: »Corinne, you can tell me. I know, no problem, now this man has another lady. Please tell me, before you come to Kenya, maybe you sleep with him?« Ich kann es nicht mehr hören und halte mir die Ohren zu, während mir die Tränen über das Gesicht rollen. Vor Wut könnte ich ihn nur noch anschreien.
Endlich ist Feierabend, und wir
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