Die Weisse Massai
besser, und alles scheint leichter ertragbar zu sein. Heiter setze ich mich draußen hin und schaue meiner Tochter amüsiert zu, wie sie immer wieder versucht, auf einen Baum zu steigen. Als mein Kopf wieder klarer wird, kaufe ich Reis und Kartoffeln, um das Abendessen zu kochen. Der Joint verursacht ein großes Hungergefühl. Später bade ich Napirai wie gewöhnlich im Waschbecken, bevor auch ich mich in die »Buschdusche« zurückziehe. Die Windeln weiche ich wie immer über Nacht ein, damit ich sie morgens vor der Arbeit waschen kann. Dann gehe ich ins Bett. Mein Mann fährt Krieger zu einer Tanzaufführung.
Die Tage streichen dahin, und ich freue mich jeden Abend auf den Joint. Im Intimen läuft nun mehr, nicht weil ich Freude daran habe, sondern weil es mir gleichgültig ist. Ich lebe leer vor mich hin. Mechanisch öffne ich den Shop und verkaufe zusammen mit William, der immer unregelmäßiger erscheint, die Ware. Dafür ist Lketinga nun fast den ganzen Tag im Shop. Die Touristen erscheinen mit Kameras und Videos, und bald sind wir auf vielen Filmstreifen festgehalten. Mein Mann verlangt nach wie vor Geld, was mich nicht mehr aufregt. Er versteht nicht, warum die Leute uns fotografieren wollen und sagt zurecht, wir seien doch keine Affen.
Immer wieder fragen die Touristen, wo unsere Tochter ist, da sie annehmen, Napirai, die mit dem Kindermädchen spielt, gehöre zu ihr. Ich muß allen erklären, daß das mittlerweile sechzehnmonatige Kind unsere Napirai ist. Zusammen mit dem Kindermädchen lachen wir über die falsche Annahme, bis mein Mann sich schließlich Gedanken macht, wieso alle Leute dasselbe vermuten. Ich versuche, ihn zu beschwichtigen, die Verwechslungen könnten uns doch egal sein. Dennoch bohrt er bei den irritierten Kunden weiter, warum sie mich nicht gleich als Mutter erkennen, so daß einige erschrocken unser Geschäft wieder verlassen. Auch dem Mädchen gegenüber verhält er sich mißtrauisch.
Meine Schwester ist seit fast einem Monat zu Hause. Edy erscheint ab und zu, um nach Briefen von ihr zu fragen, was Lketinga mit der Zeit ganz anders sieht. Seiner Ansicht nach kommt Edy natürlich meinetwegen, und eines Tages ertappt er mich dabei, wie ich Edy Marihuana abkaufe. Er beschimpft mich wie eine Schwerverbrecherin und droht, mich bei der Polizei anzuzeigen.
Mein eigener Mann will mich ins Gefängnis bringen, obwohl er weiß, wie elend es dort zugeht! In Kenia sind die Bestimmungen über Drogen sehr streng. Mit Müh und Not kann Edy ihn davon abbringen, nach Ukunda zur Polizei zu fahren. Ich stehe fassungslos da und kann nicht einmal weinen. Schließlich brauche ich dieses Zeug, um ihn ertragen zu können. Ich muß ihm versprechen, nie mehr Marihuana zu rauchen, sonst zeigt er mich an. Er will nicht mit jemandem zusammen sein, der die Gesetze in Kenia mißachtet. Miraa ist schließlich erlaubt und somit nicht dasselbe.
Mein Mann durchsucht meine Taschen und riecht an jeder Zigarette, die ich mir anzünde. Daheim erzählt er es Priscilla und jedem, der es hören will. Alle sind natürlich entsetzt, und ich komme mir miserabel vor. Bei jedem Gang zur Toilette begleitet er mich. Zum Shop im Village darf ich schon gar nicht mehr. Ich bin nur noch in unserem Geschäft, und zu Hause hocke ich auf dem Bett. Das einzig Wichtige ist mein Kind. Napirai scheint zu spüren, daß es mir schlecht geht. Sie bleibt die meiste Zeit bei mir und plappert »Mama, Mama« und ein paar unverständliche Worte. Priscilla hat sich von uns zurückgezogen. Sie will keinen Ärger.
Die Arbeit bereitet mir keine Freude mehr. Lketinga ist ständig um uns. Entweder im Shop oder von der China-Bar aus werde ich kontrolliert. Bis zu dreimal am Tag stellt er meine Tasche auf den Kopf. Einmal kommen wieder Schweizer Touristen. Ich mag mich nicht groß mit ihnen unterhalten und erkläre, daß ich mich nicht wohl fühle und Magenschmerzen habe. Mein Mann kommt gerade hinzu, als eine Schweizerin Napirai bewundert und arglos die Ähnlichkeit zu dem Kindermädchen feststellt. Wieder kläre ich die Besucherin auf, als Lketinga fragt: »Corinne, why all people know, this child is not yours?« Mit diesem Satz hat er meine letzte Hoffnung und meinen letzten Respekt vor ihm vernichtet.
Wie in Trance stehe ich auf und gehe ins Chinarestaurant hinüber, ohne auf die Fragen der anderen zu reagieren. Den Besitzer bitte ich um ein Telefongespräch. Ich lasse mich mit dem Swissair-Office in Nairobi verbinden und frage nach dem
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