Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
unbegränzte Perfektibilität desselben setzt, welche bloß durch die Civilisation und deren Folgen auf Abwege gerathen wäre, und nun darauf seinen Optimismus und Humanismus gründet.
Wie gegen den Optimismus Voltaire , im Candide , den Krieg in seiner scherzhaften Manier führt, so hat es in seiner ernsten und tragischen Byron gethan, in seinem unsterblichen Meisterwerke Kain , weshalb er auch durch die Invektiven des Obskuranten Friedrich Schlegel verherrlicht worden ist. – Wollte ich nun schließlich, zur Bekräftigung meiner Ansicht, die Aussprüche großer Geister aller Zeiten in diesem, dem Optimismus entgegengesetzten Sinne, hersetzen; so würde der Anführungen kein Ende seyn; da fast jeder derselben seine Erkenntniß des Jammers dieser Welt in starken Worten ausgesprochen hat. Also nicht zur Bestätigung, sondern bloß zur Verzierung dieses Kapitels mögen am Schlusse desselben einige Aussprüche dieser Art Platz finden.
Zuvörderst sei hier erwähnt, daß die Griechen, so weit sie auch von der Christlichen und Hochasiatischen Weltansicht entfernt waren und entschieden auf dem Standpunkt der Bejahung des Willens standen, dennoch von dem Elend des Daseyns tief ergriffen waren. Dies bezeugt schon die Erfindung des Trauerspiels, welche ihnen angehört. Einen andern Beleg dazu giebt uns die, nachmals oft erwähnte, zuerst von Herodot (V, 4) erzählte Sitte der Thrakier, den Neugeborenen mit Wehklagen zu bewillkommnen, und alle Uebel, denen er jetzt entgegengehe, herzuzählen; dagegen den Todten mit Freude und Scherz zu bestatten, weil er so vielen und großen Leiden nunmehr entgangen sei; welches in einem schönen, von Plutarch ( De audiend. poët. in fine ) uns aufbehaltenen Verse, so lautet:
Ton phynta thrênein, eis hos' erchetai kaka;
Ton d' au thanonta kai ponôn pepaumenon
Chairontas euphêmountas ekpempein domôn .
(Lugere genitum, tanta qui intrarit mala:
At morte si quis finiisset miserias,
Hunc laude amicos atque laetitia exsequi.)
Nicht historischer Verwandtschaft, sondern moralischer Identität der Sache ist es beizumessen, daß die Mexikaner das Neugeborene mit den Worten bewillkommneten: »Mein Kind, du bist zum Dulden geboren: also dulde, leide und schweig«. Und dem selben Gefühle folgend hat Swift (wie Walter Scott in dessen Leben berichtet) schon früh die Gewohnheit angenommen, seinen Geburtstag nicht als einen Zeitpunkt der Freude, sondern der Betrübniß zu begehn, und an demselben die Bibelstelle zu lesen, in welcher Hiob den Tag bejammert und verflucht, an welchem es in seines Vaters Hause hieß: es sei ein Sohn geboren.
Bekannt und zum Abschreiben zu lang ist die Stelle in der Apologie des Sokrates, wo Plato diesen weisesten der Sterblichen sagen läßt, daß der Tod, selbst wenn er uns auf immer das Bewußtsein raubte, ein wundervoller Gewinn seyn würde, da ein tiefer, traumloser Schlaf jedem Tage, auch des beglücktesten Lebens, vorzuziehn sei.
Ein Spruch des Herakleitos lautete:
Tô oun biô onoma men bios, ergon de thanatos .
(Vitae nomen quidem est vita, opus autem mors.
Etymologicum magnum, voce bios ; auch Eustath. ad Iliad., I, p. 31.)
Berühmt ist der schöne Vers des Theognis :
Archên men mê phynai epichthonioisin ariston,
Mêd' eisidein augas oxeos êeliou;
Phynta d' hopôs ôkista pylas Aidao perêsai,
Kai keisthai pollên gên epamêsamenon.
(Optima sors homini natum non esse, nec unquam
Adspexisse diem, flammiferumque jubar.
Altera jam genitum demitti protinus Orco,
Et pressum multa mergere corpus humo.)
Sophokles , im Oedipus zu Kolona (1225), hat folgende Abkürzung desselben:
Mê phynai ton hapanta ni-
ka logon; to d' epei phanê,
bênai keithen, hothen per hêkei,
poly deuteron, hôs tachista.
(Natum non esse sortes vincit alias omnes: proxima autem est, ubi quis in lucem editus fuerit, eodem redire, unde venit, quam ocissime.)
Euripides sagt:
Pas d' odynêros bios anthrôpôn,
K' ouk esti ponôn anapausis.
(Omnis hominum vita est plena dolore,
Nec datur laborum remissio.
Hippol. 189.)
Und hat es doch schon Homer gesagt:
Ou men gar ti pou estin oizyrôteron andros
Pantôn, hossa de gaian epi pneei te kai herpei .
(Non enim quidquam alicubi est calamitosius homine
Omnium, quotquot super terram spirantque et moventur.
Il. XVII, 446.)
Selbst Plinius sagt: Quapropter hoc primum quisque in remediis animi sui habeat, ex omnibus bonis, quae homini natura tribuit, nullum melius esse tempestiva morte. (Hist. nat.
Weitere Kostenlose Bücher