Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
Vom Netzwerk:
verstehn zu lernen sucht.
    Demgemäß wird Folgendes, was sich hier jedem Schüler des Plato schon von selbst aufgedrungen hat, im nächsten Buch der Gegenstand einer ausführlichen Betrachtung seyn, nämlich daß jene verschiedenen Stufen der Objektivation des Willens, welche, in zahllosen Individuen ausgedrückt, als die unerreichten Musterbilder dieser, oder als die ewigen Formen der Dinge dastehn, nicht selbst in Zeit und Raum, das Medium der Individuen, eintretend; sondern fest stehend, keinem Wechsel unterworfen, immer seiend, nie geworden; während jene entstehn und vergehn, immer werden und nie sind; daß, sage ich, diese Stufen der Objektivation des Willens nichts Anderes als Plato's Ideen sind. Ich erwähne es hier vorläufig, um fortan das Wort Idee in diesem Sinne gebrauchen zu können, welches also bei mir immer in seiner ächten und ursprünglichen, von Plato ihm ertheilten Bedeutung zu verstehn ist und dabei durchaus nicht zu denken an jene abstrakten Produktionen der scholastisch dogmatisirenden Vernunft, zu deren Bezeichnung Kant jenes von Plato schon in Besitz genommene und höchst zweckmäßig gebrauchte Wort, eben so unpassend, wie unrechtmäßig gemißbraucht hat. Ich verstehe also unter Idee jede bestimmte und feste Stufe der Objektivation des Willens , sofern er Ding an sich und daher der Vielheit fremd ist, welche Stufen zu den einzelnen Dingen sich allerdings verhalten, wie ihre ewigen Formen, oder ihre Musterbilder. Den kürzesten und bündigsten Ausdruck jenes berühmten Platonischen Dogmas giebt uns Diogenes Laertius (III, 12): ho Platôn phêsi, en tê physei tas ideas hestanai, kathaper paradeigmata; ta d'alla tautais eoikenai, toutôn homoiômata kathestôta . (Plato ideas in natura velut exemplaria dixit subsistere; cetera his esse similia, ad istarum similitudinem consistentia.) Von jenem Kantischen Mißbrauch nehme ich weiter keine Notiz: das Nöthige darüber steht im Anhang.

    § 26
    Als die niedrigste Stufe der Objektivation des Willens stellen sich die allgemeinsten Kräfte der Natur dar, welche theils in jeder Materie ohne Ausnahme erscheinen, wie Schwere, Undurchdringlichkeit, theils sich unter einander in die überhaupt vorhandene Materie getheilt haben, so daß einige über diese, andere über jene, eben dadurch specifisch verschiedene Materie herrschen, wie Starrheit, Flüssigkeit, Elasticität, Elektricität, Magnetismus, chemische Eigenschaften und Qualitäten jeder Art. Sie sind an sich unmittelbare Erscheinungen des Willens, so gut wie das Thun des Menschen, sind als solche grundlos, wie der Charakter des Menschen, nur ihre einzelnen Erscheinungen sind dem Satz vom Grund unterworfen, wie die Handlungen des Menschen, sie selbst hingegen können niemals weder Wirkung noch Ursache heißen, sondern sind die vorhergegangenen und vorausgesetzten Bedingungen aller Ursachen und Wirkungen, durch welche ihr eigenes Wesen sich entfaltet und offenbart. Es ist deshalb unverständig, nach einer Ursache der Schwere, der Elektricität zu fragen: dies sind ursprüngliche Kräfte, deren Aeußerungen zwar nach Ursache und Wirkung vor sich gehn, so daß jede einzelne Erscheinung derselben eine Ursache hat, die selbst wieder eben eine solche einzelne Erscheinung ist und die Bestimmung giebt, daß hier jene Kraft sich äußern, in Zeit und Raum hervortreten mußte; keineswegs aber ist die Kraft selbst Wirkung einer Ursache, noch auch Ursache einer Wirkung. – Daher ist es auch falsch zu sagen: »Die Schwere ist Ursache, daß der Stein fällt«; vielmehr ist die Nähe der Erde hier die Ursache, indem diese den Stein zieht. Nehmt die Erde weg, und der Stein wird nicht fallen, obgleich die Schwere geblieben ist. Die Kraft selbst liegt ganz außerhalb der Kette der Ursachen und Wirkungen, welche die Zeit voraussetzt, indem sie nur in Bezug auf diese Bedeutung hat: jene aber liegt auch außerhalb der Zeit. Die einzelne Veränderung hat immer wieder eine eben so einzelne Veränderung, nicht aber die Kraft, zur Ursache, deren Aeußerung sie ist. Denn Das eben, was einer Ursache, so unzählige Male sie eintreten mag, immer die Wirksamkeit verleiht, ist eine Naturkraft, ist als solche grundlos, d.h. liegt ganz außerhalb der Kette der Ursachen und überhaupt des Gebietes des Satzes vom Grunde, und wird philosophisch erkannt als unmittelbare Objektität des Willens, der das Ansich der gesammten Natur ist; in der Aetiologie, hier Physik, aber nachgewiesen, als ursprüngliche Kraft, d.i. qualitas

Weitere Kostenlose Bücher