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Die Welt von Gestern

Die Welt von Gestern

Titel: Die Welt von Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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zugezwungen zu werden, der er als Österreicher doch niemals zugehört? Mit einem Federstrich hatte der Sinn eines ganzen Lebens sich in Widersinn verwandelt; ich schrieb, ich dachte noch immer in deutscher Sprache, aber jeder Gedanke, den ich dachte, jeder Wunsch, den ich fühlte, gehörte den Ländern, die in Waffen standen für die Freiheit der Welt. Jede andere Bindung, alles Vergangene und Gewesene war zerrissen und zerschlagen, und ich wußte, daß alles nach diesem Kriege abermaligen Anfang bedeuten müsse. Denn die innerste Aufgabe, an die ich alle Kraft meiner Überzeugung durch vierzig Jahre gesetzt, die friedliche Vereinigung Europas, sie war zuschanden geworden. Was ich mehr gefürchtet als den eigenen Tod, den Krieg aller gegen alle, nun war er entfesselt zum zweitenmal. Und der ein ganzes Leben leidenschaftlich sich bemüht um Verbundenheit im Menschlichen und im Geiste, empfand sich in dieser Stunde, die unverbrüchliche Gemeinschaft forderte wie keine andere, durch dieses jähe Ausgesondertsein unnütz und allein wie nie in seinem Leben.
    Noch einmal wanderte ich, um einen letzten Blick dem Frieden nachzutun, hinunter zur Stadt. Sie lag still im Mittagslicht und schien mir nicht anders als sonst. Die Menschen gingen mit ihren gewöhnlichen Schritten ihren gewöhnlichen Weg.
Sie eilten nicht, sie scharten sich nicht gesprächig zusammen. Sonntäglich ruhig und gelassen war ihr Gehaben, und einen Augenblick fragte ich mich: wissen sie es am Ende noch nicht? Aber sie waren Engländer, geübt, ihr Gefühl zu bezähmen. Sie brauchten nicht Fahnen und Trommeln, nicht Lärm und Musik, um sich zu bestärken in ihrer zähen, unpathetischen Entschlossenheit. Wie anders war es in jenen Julitagen 1914 in Österreich gewesen, aber wie anders als der junge unerfahrene Mensch von damals war heute auch ich selbst, wie beschwert mit Erinnerungen! Ich wußte, was Krieg bedeutete, und indem ich auf die gefüllten, blanken Geschäfte blickte, sah ich in einer heftigen Vision jene von 1918 wieder, ausgeräumt und leer wie mit aufgerissenen Augen einen anstarrend. Ich sah wie in einem wachen Traum die langen Schlangen der verhärmten Frauen vor den Lebensmittelgeschäften, die Mütter in Trauer, die Verwundeten, die Krüppel, all dies mächtige Grauen von einst kam gespenstisch zurück im strahlenden Mittagslicht. Ich erinnerte mich an unsere alten Soldaten, abgemüdet und zerlumpt, wie sie aus dem Felde gekommen, mein pochendes Herz fühlte den ganzen gewesenen Krieg in jenem, der heute begann und der sein Entsetzliches noch den Blicken verbarg. Und ich wußte: abermals war alles Vergangene vorüber, alles Geleistete zunichte – Europa, unsere Heimat, für die wir gelebt, weit über unser eigenes Leben hinaus zerstört. Etwas anderes, eine neue Zeit begann, aber wie viele Höllen und Fegefeuer zu ihr hin waren noch zu durchschreiten.
    Die Sonne schien voll und stark. Wie ich heimschritt, bemerkte ich mit einemmal vor mir meinen eigenen Schatten, so wie ich den Schatten des anderen Krieges hinter dem jetzigen sah. Er ist durch all diese Zeit nicht mehr von mir gewichen, dieser Schatten, er überhing jeden meiner Gedanken bei Tag und bei Nacht; vielleicht liegt sein dunkler Umriß auch auf
manchen Blättern dieses Buches. Aber jeder Schatten ist im letzten doch auch Kind des Lichts, und nur wer Helles und Dunkles, Krieg und Frieden, Aufstieg und Niedergang erfahren, nur der hat wahrhaft gelebt.

PERSONENVERZEICHNIS
    Adams, Jane 395
    Adler, Viktor 83, 134
    Aksakow, Sergej Timofejewitsch 376
    Altenberg, Peter 42, 67
    Anzengruber, Ludwig 457
    Arcos, René 233, 307
    Aristoteles 162
    Asch, Schalom 211, 395

    Bach, Johann Sebastian 268, 369, 399, 418, 421
    Badeni, Kasimir Graf 87
    Bahr, Hermann 65, 67f., 370
    Balzac, Honoré de 62, 73, 161f., 194, 245, 364, 369, 399, 488
    Barbusse, Henri 278, 282, 313, 346, 374
    Barnay, Ludwig 202
    Bartók, Béla 395
    Baudelaire, Charles 63, 146, 466
    Bazalgette, Léon 162, 165-167, 214, 233, 236
    Beer-Hofmann, Richard 42, 67, 211
    Beethoven, Ludwig van 31f., 35, 40, 194, 196, 236, 249, 272, 345, 369, 379, 400f., 418, 420
    Benedikt, Moritz 125
    Berg, Alban 395, 418
    Berger, Alfred Baron 206
    Bierbaum, Otto Julius 123
    Binyon, Lawrence 190
    Bismarck, Otto Fürst von 86, 212, 411
    Bjørnson, Bjørnstjerne Martinius 92
    Blake, William 190f., 193, 443
    Blériot, Louis 230
    Bloch, Jean Richard 163, 233, 431
    Bojer, Johan 152
    Bonaparte,

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