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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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noch konnte er ihn ändern. Ein paar Leichtverwundete schickte er nach hinten; sie schlichen davon wie Deserteure.
    Gegen Mittag braute sich nordostwärts das Ende des aufgeriebenen Bataillons zusammen. Russische Panzer waren zu hören, die ihnen folgenden Infanteristen schon mit bloßem Auge zu sehen. Dann sickerten Meldungen durch, daß die Russen auch im Westabschnitt die deutschen Linien überrollt hatten.
    »Gleich gibt's Kattun«, sagte Hauptmann Ritt, als gleichzeitig links und rechts der Kampflärm anschwoll. »Wer will, kann beten, rauchen oder austreten.« Er lachte dem Küken seiner Einheit, dem achtzehnjährigen Richtkanonier Traube, zu.
    »Wie fühlen Sie sich?« fragte er.
    »Prima, Herr Hauptmann«, antwortete Traube und schluckte.
    Der Hauptmann spuckte aus und fragte, auf die russische Beute-Pak weisend: »Wie viele Granaten haben wir noch, Traube?«
    »Vierundzwanzig«, meldete der Achtzehnjährige beflissen.
    Vierundzwanzig Schuß und zweihundert T 34, rechnete Ritt rasch, vielleicht bloß hundert oder bloß achtzig.
    Schon fünfzehn oder zwanzig der im Norden immer lauter rumorenden Stahlkästen würden genügen, um hundertachtundzwanzig vergessene Soldaten jetzt in den Tod zu stampfen.
    Endlich kamen die Russen.
    Hauptmann Ritt lag in seinem Loch und sah ihnen entgegen. Sie kamen mit Panzern, und das machte das Ende leichter, weil schneller. Langsam krochen sie näher, schwarze Schatten zunächst, dann unförmige Käfer. Vier, sieben, zwölf, siebzehn – so viele, daß Ritt es aufgab, sie zu zählen.
    Er sah nach der Beute-Pak und nickte.
    Die Männer gehorchten wie Roboter, richteten ihr Geschütz auf den vordersten T 34 ein; ihre Hände blieben ruhig, ihre Bewegungen sicher. Ihre Gesichter waren wie von Haß verzerrt; Haß nicht so sehr auf den Feind, der jetzt ihr Leben zertrat, bevor es noch recht begonnen hatte, Haß auf die Zeit, der man dieses zerschundene, beschissene Dasein verdankte.
    Aber sie hatten keine Zeit mehr für ihren Haß.
    »Entfernung neunhundert Meter!« schrie der Beobachter am E-Messer. »Achthundertfünfzig«, verbesserte er sich gleich.
    Das Gedröhn schwoll an, die Erde zitterte. Der Motorenlärm zersägte die Nerven. Der Gefreite Traube spürte, wie sein Mund trocken wurde, wie die Zähne wackelten; in seiner Zielrichtung tänzelten Lichteffekte, weil die müde Sonne wieder durch die Wolken sah. Wer sich nicht hinter die Pak zu drücken brauchte, lag im Graben und sehnte sich danach, so tief wie möglich unter die Erde zu kriechen.
    »Siebenhundert Meter«, kam der neue Meßwert durch.
    Sie rollten in breiter Formation. Hinter den T 34 sah man die Stahlhelme der sowjetischen Infanteristen wie Schildkröten, die langsam näher krochen.
    Hauptmann Ritt ließ sie bis auf vierhundert Meter herankommen. Aus, dachte er, Feierabend. Die Besatzungen in den T 34 mußten seine Stellung längst erkannt haben, und er wunderte sich, daß die Russen sie nicht beschossen. Es würde ein paar von ihnen noch das Leben kosten, stellte er bedauernd fest; er war, als perfekter Soldat, grundsätzlich dafür, Blut zu sparen.
    »Feuer frei!« rief er und sah auf die schmalen Lippen des Richtkanoniers, der verbissen nickte.
    Ritt duckte sich in sein Panzerdeckungsloch, er hatte das Glas an den Augen, eine entsicherte MP in der Hand und eine sicher nutzlose Haftladung neben sich.
    Drei Sekunden später fauchte die erste Granate aus dem Rohr.
    Treffer, stellte Ritt fest.
    Der Turm des vorderen Panzers flog hoch wie ein Zylinder im Windstoß. Die Lafette stellte sich noch einmal auf die Hinterräder, dann platzte sie wie eine Konservenbüchse.
    Richtkanonier Traube wechselte das Ziel.
    Er schoß einen zweiten und dritten Panzer ab, zielte auf den vierten, schoß und traf. Doch der T 34 rollte stur weiter, genau auf die Pak zu, wie ein Gespenst; Gespenster kann man nicht töten.
    Blindgänger, dachte Ritt …
    Die Russen feuerten zurück, verwandelten die Erde in eine zuckende, feurige Hölle. Jetzt war es auch zum Rückzug zu spät. Hauptmann Ritt, der Achtundzwanzigjährige, prägte sich jede Einzelheit seines schwindelnden Lebens ein, als sei das noch wichtig.
    Plötzlich schossen die Russen nicht mehr. Die Männer der Pak, die Schuß auf Schuß und Blindgänger auf Blindgänger hinausgejagt hatten, merkten, daß der Feind das Feuer nicht mehr erwiderte; er war so nahe herangerollt, daß man schon Gesichter unter den Schildkrötenhelmen erkennen konnte.
    Unvermittelt drehten die meisten

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