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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Ihnen die Geheimdokumente gegeben?« fragte Rothauch mit heiserer Stimme.
    »Herr Doktor Schiele«, antwortete der Zeuge fest.
    Der Anwalt zog mit grimmigem, ergebenem Lächeln die Robe aus, legte sie auf den Tisch, bedeutete mit einem Wink dem mitgebrachten Anwalt, seinen Platz einzunehmen, und trat mit schleppenden Schritten an das Richterpult – und Martin erkannte den Preis, den er nicht bezahlen konnte.
    Es war ein Feuerwerk an Beweisen, eine Mischung aus Wahrheit und Fiktion, von einem kalten Rechner aneinandergefügt, der sich selbst dem Gefängnis überantwortete: Fahrten nach Bonn, gescheiterte Verhandlung mit Abgeordneten des Ausschusses, Buchungsbeleg über zehntausend Mark abgezeichnet vor Monaten, als der beschuldigte Ritt in Amerika war.
    Schiele behauptete, aus eigenem Antrieb im Interesse der Firma, deren Teilhaber er war, den ungetreuen Beamten gekauft zu haben, als Ritt in der Sorge um die Mutter jede Übersicht über die Gefahr verloren hatte, die seinem Unternehmen drohte.
    »Sie wollen der alleinige Täter gewesen sein?« rief Rothauch mit gurgelnder Stimme.
    »Wer sonst?« fragte Schiele überheblich.
    »Das sollen wir Ihnen glauben?«
    »Sie werden es glauben müssen«, erwiderte der Mann, der sich selbst einer Tat, die nie und von keinem begangen worden war, beschuldigte, und wies mit der Hand auf den Zeugen Guido Brenner, mit dessen Hilfe er das gefährliche Netz gesprengt hatte. »Wären Sie nicht von Anfang an bestrebt gewesen, einen Schuldlosen zu vernichten, statt den Schuldigen zu finden, könnten wir längst soweit wie heute sein, Herr Staatsanwalt.«
    Rothauch suchte die Augen des Vorsitzenden. Er fand keine Unterstützung. Um Hilfe heischend, glitt sein Blick zum neuen Hausherrn des Landgerichts.
    Aber Dr. Link erhob sich und verließ leeren Gesichts, leicht gebeugt und scheinbar unbeteiligt, den Raum, seinen Schützling allein der Niederlage preisgebend.
    »Und das sagen Sie uns alles erst jetzt?« kämpfte Rothauch wie ertrinkend weiter.
    »Erstens fragten Sie mich nicht«, entgegnete Schiele, »und dann: wer geht schon gern hinter Gitter, solange er eine Chance hat, noch anders davonzukommen?«
    »Sie nehmen das auf Ihren Eid?«
    »Rothauch«, erwiderte Schiele mit gehässigem Mitleid, »wer wird denn einen Angeklagten vereidigen?«
    Zum ersten Mal seit Beginn der Verhandlung erlaubte sich der Vorsitzende ein Lächeln: ein Richter, der nun, nicht ungern, nach formalem Recht zu handeln hatte.
    Sichere Indizien, ausreichende Beweismittel, vorgebracht von einem Juristen, der alles auf sich nahm; und ein Geständnis ist die Krone des Beweises.
    Er beriet sich mit seinen Beisitzern: Ritt wurde in Freiheit gesetzt, Schiele verhaftet und dem Staatsanwalt angeraten, beim Ermittlungsrichter die Aufhebung des Haftbefehls gegen Guido Brenner zu erwirken.
    »Gratuliere, Herr Ritt«, sagte der neue Verteidiger, der während der Verhandlung nur stumm aufgetreten war, halblaut in die bewegte Stille. Er sah, daß sich sein Mandant nicht von der Stelle rührte, gab ihm die Hand und fügte hinzu: »Sie können gehen.«
    Martin war frei, aber er faßte es nicht, stand benommen da, verstört von der Erkenntnis, daß er nicht alles kaufen konnte, überwältigt von der Einsicht, daß er nicht alles bezahlen mußte.
    Noch war er betäubt von dem Explosionsdruck der Gegenmine Dr. Schieles, doch allmählich wurde er gewahr, welch gefährliches Risiko Guido durch seine fingierte Aussage auf sich genommen und wie selbstlos sich Schiele für ihn geopfert hatte: endlich erfassend, daß die wertvollsten Dinge dieses Lebens Geschenke sind, begriff er auch, daß Petra auf ihn wartete und Eva weiterhin zu ihm stand.
    Die Szenen im Gerichtssaal spulten vor Martin ab wie ein Film. Als die ersten Zuhörer der Verhandlung den Raum verließen, stürmten die Reporter herein. Schlagzeilen von morgen schwirrten durch den Raum. Der Verteidiger drängte sich an seinen Mandanten und rief mit erhobener Stimme: »Dieser Fall dürfte die überfällige Reform des deutschen Strafrechts entscheidend beeinflussen.«
    Dann stürzten sich die Reporter und Fotografen auf Dr. Schiele. Die beiden Polizisten, die Martin zur Verhandlung geführt hatten, bewachten ihn und versuchten, die aufgeregte Menge von dem Verhafteten fernzuhalten. Aber,die Journalisten umringten Dr. Schiele, warfen ihm im Tumult Fragen zu. Martin hörte die Antworten nicht, aber er schaute in die Gesichter einer Meute von Menschen, die mit Leckerbissen gefüttert

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