Die Wolkenkinder
zuteilt.
Erstes Kapitel
Emmerichs im stinkenden Matsch patschende Schritte hallten von den nassen Backsteinwänden der Stallungen und der Umfassungsmauern des uralten Gehöftes wieder, als er mit mächtigen, fast springenden, Sätzen zielstrebig in seinen ledernen Stulpenstiefeln auf Randolf und zwei weitere Mündel des Hofbauern, seines Vaters, zuhastete.
Er hatte sich wirklich große Mühe gegeben, sich eine ganz besondere Gemeinheit auszudenken, mit der er diesen vermaledeiten Randolf und das andere Gesocks quälen wollte. Schließlich war ihm nicht nur eine echte Schinderei eingefallen, nein, er war auf eine geniale Idee gekommen, mit der er sich diesen Kerl und seine elende Bande endlich vom Hals schaffen würde – mit etwas Glück würde sein Erzfeind vielleicht dabei sogar verrecken!
„He, dreckiges Gesindel!“, rief er den Dreien zu, die gerade damit beschäftigt waren, die Kutsche des Hofherren zu reinigen, die dieser bei seiner wöchentlichen Fahrt in sein Stadthaus auf den matschigen Feldwegen mit einer dicken Kruste aus Schlamm überzogen hatte.
Randolf war viel zu schlau um auch nur mit der Wimper zu zucken und auch der zerbrechlich wirkende Lothar – eigentlich Lothar Franz von Schönborn – ignorierte diese Provokation. Beide taten, als ob nichts gewesen wäre. Randolf gar, drehte sich geschmeidig ab und lies beim Bücken absichtlich etwas die Hose rutschen, sodass sein Widersacher freien Blick auf die obere Hälfte seines wohlgeformten Hinterteils bekam.
Dietbert allerdings, eine Kriegswaise, die erst seit gestern an den Hof gekommen war, kannte dieses Spielchen noch nicht, drehte seinen kantigen, wüst wirkenden Kopf und schaute keineswegs überrascht mit seinen tiefliegenden, dunklen Augen ob der Ansprache - er war aus Kriegszeiten ganz anderes gewohnt - , in Richtung des Rufers.
„Na wenigstens einer von euch Kanaillen weiß wer er ist!“ tönte Emmerich und fuhr ironisch fort: „Ich habe mich persönlich für euch bei meinem Vater eingesetzt, dass ihr auch mal in die Sommerfrische kommt! Was sagt ihr zu meiner überragenden Freundlichkeit?“
„Was wird das wohl wieder sein?“, brummte Randolf, der, nichts Gutes ahnend, demonstrativ an der Deichsel des Wagens weiterputzte, neben der er gerade kniete.
„Na, na, na! Wer wird denn da gleich so misstrauisch sein?“, frotzelte Emmerich mit fiesem Grinsen in seinem rot glänzenden Bauerngesicht.
Ohne Emmerich eines Blickes zu würdigen, raunte Randolf verächtlich vor sich hin: „Wird schon wieder eine deiner Gemeinheiten sein du ... du ...“ beendete aber vorsichtshalber seinen Satz nicht, denn er konnte weiß Gott darauf verzichten von diesem Kerl eine deftige Abreibung zu bekommen, wie es hier bei den geringsten Anlässen der Brauch war.
„Sprich dich nur aus, du kleiner Hundsfott! Das Salz wird in den frischen Striemen auf deinem Rücken herrlich stechen! Und wenn dann noch die Sonne darauf brennt und du kein Wasser zum Abwaschen hast ...“
Die drei Jungs schauten sich mit großen Augen wissend an. Darum ging es also! Sie würden zu den Salzkuhlen gebracht werden und dort bei sengender Hitze Salz schöpfen müssen!
„Na!“, feixte Emmerich und wischte sich mit seinem adrigen, grobschlächtigen Handrücken etwas Spucke vom Stoppelbart, „Dämmert’s euch, wo die Reise hin geht? Morgen in aller Frühe werde ich euch mit ein paar unserer Knechte in die Berge bringen. Da könnt ihr mal so richtig schön ausspannen!
„Hauptsache wir sehen deine Visage ein paar Tage nicht!“, nuschelte Lothar in die vor den Mund gehaltene Hand, denn selbst er, der bei seiner mickrigen Erscheinung sonst sehr zurückhaltend sein musste, konnte sich bei diesem Hinterfotzer kaum zügeln.
„Was war das eben!“, fuhr Emmerich zu ihm herum und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht, so dass Lothar neben dem Wagen in einer Schlammlache landete.
Gerne hätte Randolf ihn angesprungen, aber leider war dieser Bauerntölpel nicht nur niederträchtig, sondern auch stark wie ein Bulle und obwohl auch Emmerich genau wie er gerade einmal fünfzehn Jahre alt war, erreichte er die meisten ausgewachsenen Männer leicht an Größe und Gewicht.
Dietbert jedoch, der jahrelang im Tross einer Söldnertruppe vegetiert hatte, kannte keine Angst. Er ging einen winzigen Schritt auf Emmerich zu, hob unmerklich zitternd die Faust bis zur Hüfte und zischte
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