Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
entschlüpft ihm ein tiefer Seufzer, den der gestrenge Herr nicht überhören kann. Er bleibt stehen und sagt: „Dieses Gebäude hier heißt Eriksberg. Wenn du hineingehen willst, habe ich nichts dagegen; aber hüte dich vor der Pintorpafrau.“
Wer sich das nicht zweimal sagen läßt, das ist der Junge. Er läuft die Allee hinunter. Alles scheint genau für so einen kleinen Kerl, wie er ist, ausgemessen zu sein. Die Treppenstufen haben die richtige Höhe, und er kann jede Türklinke aufmachen. Aber nie hätte er gedacht, daß er je so etwas Schönes zu sehen bekäme! Die eichenen Fußböden sind glänzend gebohnt, dieZimmerdecken gegipst und reich bemalt. An den Wänden hängt Bild an Bild, die mit Seidenstoff überzogenen Sofas und Sessel haben vergoldete Lehnen. Er kommt in ein Zimmer, wo die Wände über und über mit Büchern bedeckt sind, und wieder in Gemächer, wo auf den Tischen und in den Schränken herrliche Kostbarkeiten liegen. Der Junge beeilt sich soviel wie möglich, aber er ist eben doch erst durch das halbe Haus gegangen, als der Gärtner ihn auch schon ruft, und als er heraustritt, steht der Alte davor und kaut ungeduldig an seinem Schnurrbart.
„Nun, wie ist es dir ergangen?“ fragt er. „Hast du die Pintorpafrau gesehen?“
Aber der Junge ist keiner lebenden Seele begegnet, und als er dies sagt, verzerrt sich das Gesicht des Gärtners wie in großem Schmerz.
„Hat die Pintorpafrau Ruhe gefunden und ich nicht!“ sagt er; und der Junge hätte nie geglaubt, daß eine Menschenstimme je solche Verzweiflung ausdrücken könnte.
Dann geht der Gärtner wieder mit langen Schritten weiter, und der Junge läuft hinter ihm her, während er versucht, wenigstens soviel wie möglich von allen den Merkwürdigkeiten zu sehen. Jetzt geht es um einen Teich herum, der etwas größer ist als die andern. Lange weiße Lusthäuschen, die Herrschaftssitzen gleichen, schimmern überall zwischen den Gebüschen und Blumengruppen hervor. Der Gärtner hält nirgends an, aber im Weitergehen richtet er ab und zu ein paar Worte an den Jungen. „Dies hier nenne ich den Yngaren. Dies ist Danbyholm. Hier hast du Hagbyberga. Hier Hovsta. Und hier Åkerö.“
Kurz darauf erreicht der Gärtner mit ein paar Riesenschritten einen kleinen Teich, den er Båven heißt. Aber hier hört er den Jungen einen Ruf des Erstaunens ausstoßen, und so bleibt er stehen. Der Junge hat vor einer kleinen Brücke Halt gemacht, die zu einem Schloß führt, das mitten auf dem Teich liegt.
„Wenn du Lust hast, dann kannst du hinüberlaufen und dir Vibyholm ansehen,“ sagt er. „Aber nimm dich vor der Weißen Frau in acht.“
Und der Junge ist natürlich nicht faul, der Aufforderung Folge zu leisten. In dem Schloß hängen ungeheuer viele Bildnisse an den Wänden, und dem Jungen ist es fast, als sähe er ein großes Bilderbuch vor sich. Er findet es so unterhaltend, daß er gern die ganze Nacht hier umhergegangen wäre; aber es war noch nicht viel Zeit verstrichen, da hört er schon wieder die Stimme des Gärtners, die ihn ruft.
„Komm, komm!“ ruft er. „Ich habe noch andres zu tun, als hier auf dich zu warten, du kleiner Knirps.“
Als der Junge wieder über die Brücke zurückeilt, ruft ihm der Gärtner zu: „Nun, wie ist es dir ergangen? Hast du die Weiße Frau gesehen?“
Der Junge hat keine lebende Seele gesehen und sagt dies auch dem Gärtner. Da stößt der Alte seinen Spaten so hart auf einen Stein auf, daßder Stein zerspringt, und mit einer Stimme, die die allertiefste Verzweiflung ausdrückt, ruft er: „Hat die Weiße Frau auf Vibyholm Ruhe gefunden und ich nicht?“
Bis jetzt sind die beiden in dem südlichen Teil des Gartens umhergewandert; jetzt wendet sich der Gärtner dem westlichen Teile zu. Dieser ist ganz anders angelegt. Große ebene Rasenflächen wechseln mit Erdbeerbeeten, Kohlfelder mit Stachel- und Johannisbeerbüschen ab. Auch hier sind kleine Gartenhäuschen, aber die meisten sind rot angestrichen; sie sehen aus wie Bauernhäuser und sind von Hopfengärten und Kirschbäumen umgeben.
Hier hält sich der Gärtner nicht auf; nur im Vorbeigehen sagt er zu dem Jungen: „Diese Gegend hier heiße ich Vingåker.“
Gleich darauf deutet er auf ein Gebäude, das viel einfacher aussieht als die übrigen und am ehesten mit einer Schmiede verglichen werden könnte. „Dies ist eine große Werkstatt,“ sagt er. „Ich nenne sie Eskilstuna. Wenn du Lust hast, kannst du hineingehen und dich darin umsehen.“
Der
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