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Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)

Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)

Titel: Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra McEntire
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1. KAPITEL
    V ielleicht war es eine blöde Idee, betrunken und als Pirat verkleidet auf der Kostümparty aufzutauchen.
    Okay, es war eine blöde Idee. Zumindest die Verkleidung.
    Unverhohlen starrte ich das Mädchen an, das neben mir in der Schlange stand und demonstrativ in die andere Richtung sah. Ihr Mund war perfekt, die untere Lippe ein klein wenig voller als die obere. Doch möglicherweise zog sie ja auch einen Schmollmund. So oder so, es war die Art von Unterlippe, an der ich nur allzu gern geknabbert hätte. Ich fragte mich, wie sie ihren unglaublich kurvenreichen Körper in den goldgelben Body gezwängt hatte, und konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als ihr beim Ausziehen des hautengen Teils zu helfen.
    Ich rückte ein bisschen näher. »Miau.«
    Der originellste Anmachspruch aller Zeiten.
    Sie musterte mich durch ihre schwarze Augenmaske. »Frag mich bloß nicht, ob du mir den Bauch kraulen sollst! Und keine blöden Anspielungen auf bestimmte Körperteile, sonst schnapp ich mir dein Schwert, und du brauchst ein Holzbein. Oder Schlimmeres. Hast du das kapiert, Seemann?«
    »Aye, aye, Käpten«, salutierte ich übereifrig.
    Sie wandte mir den Rücken zu und stellte sich auf die Zehenspitzen, um das Ende der Schlange zu erspähen. Ihre Rückansicht war so spektakulär, dass ich beschloss, den Mund zu halten, bis wir drinnen waren, um den Anblick in Ruhe genießen zu können.
    Aber sie erwischte mich dabei, wie ich sie anstarrte.
    »Du bist eine Katze, stimmt’s? Oder ein Tiger«, lallte ich hastig. Mein gesamtes Blickfeld geriet ein wenig in Schieflage. »Willst du auch zum Kostümfest?«
    »Nein, ich laufe immer als Raubtier verkleidet in Ivy Springs herum.«
    »Rrrr!« Ich fuhr imaginäre Krallen aus und tat so, als wolle ich sie damit attackieren.
    Keine Reaktion.
    Ich lehnte mich gegen die rauen Ziegelsteine der Hauswand, riss mir die Piratenperücke herunter, um mich am Kopf zu kratzen, und setzte sie wieder auf. Sie fühlte sich schief an, aber vielleicht kam es mir nur so vor.
    »So wie du aussiehst, lassen sie dich bestimmt nicht ohne Weiteres herein.« Kopfschüttelnd beäugte das Tigermädchen meine Dreadlocks. »Wie viel hast du getrunken? Kotz mir bloß nicht auf die Schuhe!«
    Weil sich mittlerweile alles drehte, hätte ich am liebsten die Augen geschlossen, doch ich konnte einfach nicht aufhören, sie anzustarren. Ich versuchte, mich zu konzentrieren, was sich bei meinem Alkoholpegel jedoch als äußerst schwierig erwies.
    »Ich kotz dir schon nicht auf die Schuhe«, versicherte ich ihr und schwor mir, diese Kurven zwischen die Finger zu bekommen. Doch der Schwindel gewann die Oberhand, und ich schloss kurz die Augen. »Ich hab einen schrecklichen Tag hinter mir.«
    »Von dem du mir bestimmt gleich erzählen willst, nehme ich an.«
    Doch wie hätte ich einem Mädchen, dem ich gerade zum ersten Mal begegnet war, erzählen können, dass mein Vater vor Kurzem von den Toten zurückgekehrt war, dass meine Mutter im Koma lag und dass an diesem Nachmittag ein ganzes Bataillon Bürgerkriegssoldaten vor meiner Veranda erschienen war. »Ich tu lieber was, statt nur zu reden.«
    »Komischerweise wundert mich das gar nicht.«
    Ich zwinkerte ihr vielsagend zu. »Und was ist mit dir? Könnte es sein, dass du auch lieber aktiv wirst?«
    »Ich wette, dass du bis jetzt immer nur deine Mom geküsst hast.«
    Zuerst spürte ich Schmerz, dann Zorn, der unter der Oberfläche brodelte. Sie wusste nichts über meine Mom. Es war keine Absicht. Ihr Blick verriet mir, dass sie meine Wut ahnte, und ich schluckte sie entschlossen herunter.
    »Die Schlange bewegt sich vorwärts.« Ich deutete in Richtung Eingang und kämpfte heftiger gegen meine eigenen Gefühle an, als ich jemals gegen die Gefühle anderer gekämpft hatte. Zu meiner Erleichterung folgte das Mädchen der Menge durch die Tür.
    Der Innenraum des Phone Company wirkte völlig verwandelt. Das klassische, gehobene Restaurant war zu einem wahren Feuerwerk herbstlicher Farben geworden. Riesige Netze voll winziger Plastikspinnen hingen an der Decke, und in jeder Ecke stand eine Vogelscheuche. Ab und an sausten an unsichtbaren Drähten befestigte Geister durch die Menge und lösten kreischende Lachsalven aus.
    Überall standen Kürbisfratzen und riesige Berge von Halloween-Süßkram herum, aber das, was die Partygäste wirklich in Angst und Schrecken versetzt hätte, waren die Dinge, die sie nicht sehen konnten.
    Ein Schleier hing schimmernd über der Bühne.

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