Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
Erich zur Ruhe gehen dürfen, ich aber nicht!“
Jetzt richten die beiden ihre Schritte nach dem östlichen Teil des Gartens. Sie kommen an einem Badeort vorüber, den der Gärtner Södertelje nennt, sowie an einem alten Schloß, dem er den Namen Hörningsholm gibt. Hier ist übrigens nicht viel zu sehen. Überall ragen Felsen und Klippen auf, die immer einsamer und kahler werden, je weiter draußen sie liegen.
Jetzt wenden sie sich nach Süden, und der Junge erkennt die Hecke wieder, die der Gärtner Kolmården nannte, und daran errät er, daß sie sich dem Ausgange nähern.
Der Junge ist hocherfreut über alles, was er gesehen hat, und als sie nun schon nahe bei dem großen Gittertor sind, versucht er dem Gärtner seinen Dank auszusprechen. Aber der Alte hört gar nicht auf ihn, sondern geht nur geradenwegs auf das Tor zu. Hier angekommen wendet er sich an den Jungen und reicht ihm seinen Spaten. „Da, halte ihn, während ich das Tor aufschließe,“ sagt er zu dem Jungen.
Diesem aber ist es ohnedies leid, daß er dem barschen alten Mann schon so viel Mühe gemacht hat, und er will ihm daher jede weitere Anstrengung ersparen.
„Meinetwegen braucht Ihr das schwere Tor gar nicht aufzumachen,“ sagt er und schlüpft gleichzeitig zwischen den Gitterstäben hindurch; für so einen kleinen Knirps hatte das natürlich nicht die geringste Schwierigkeit.
Der Junge tut es in der besten Absicht und ist höchst bestürzt, als er hört, daß der Gärtner hinter ihm in heftigen Zorn ausbricht, auf den Boden stampft und an dem Gitter rüttelt.
„Was ist denn? Was ist denn?“ fragt der Junge bestürzt. „Ich wollte Euch ja nur die Mühe ersparen. Warum seid Ihr denn so böse?“
„Sollte ich etwa nicht böse sein?“ entgegnet der Alte. „Es wäre nichts weiter nötig gewesen, als daß du meinen Spaten genommen hättest, dann hättest du hierbleiben und den Garten besorgen müssen, während ich abgelöst gewesen wäre. Jetzt weiß ich nicht, wie lange ich noch hier ausharren muß.“
Bei diesen Worten rüttelt der Gärtner wieder heftig an dem Gittertorund sieht schrecklich zornig aus; aber dem Jungen tut er unwillkürlich von Herzen leid und er versucht ihn zu trösten.
„Seid doch nicht so betrübt darüber, Herr Karl von Södermanland,“ sagt er. „Denn es findet sich gewiß niemand, der Euren Garten so gut pflegen würde, wie Ihr es tut.“
Als der Junge das sagt, wird der alte Gärtner ganz still und ruhig, und der Junge meint einen hellen Schein über die harten Züge hingleiten zu sehen. Aber er kann es nicht deutlich sehen, denn plötzlich verblaßt die ganze Gestalt und verschwindet wie im Nebel. Und nicht nur die Gestalt, nein, auch der ganze Garten mit allen Blumen und Früchten und dem Sonnenschein verbleicht und verschwindet, und wo er gestanden hat, ist nichts andres mehr als der öde, wilde Wald.
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In Närke
Die Ysätter-Kajsa
In Närke gab es in früheren Zeiten etwas, was es anderswo gar nicht gab, nämlich eine Hexe, die die Ysätter-Kajsa hieß.
Den Namen Kajsa hatte sie bekommen, weil sie soviel mit Sturm und Wind zu tun hatte, und solche Wetterhexen werden immer so genannt; der Beinamen aber war ihr gegeben worden, weil es hieß, sie stamme aus dem Ysätter Sumpf im Kirchspiel Asker.
Es hatte allerdings den Anschein, als habe sie ihre eigentliche Heimat in Asker, aber man sah sie auch häufig an andern Orten. In ganz Närke mußte man stets darauf gefaßt sein, sie vor sich auftauchen zu sehen.
Sie war aber keine traurige oder unheimliche Hexe, sondern munter und lustig, und am allerwohlsten war es ihr, wenn ein richtiger Sausewind daherfegte. Sobald es tüchtig stürmte, machte sie sich auf, um auf der Ebene von Närke einen ordentlichen Reigen zu tanzen.
Der Närker Bezirk ist eigentlich bloß eine einzige Ebene, die von allen Seiten von waldigen Höhen umgeben ist. Nur im nordöstlichsten Winkel durchbricht der Hjälmar die lange Gebirgsmauer.
Wenn nun der Wind am Morgen draußen auf der Ostsee ordentlich Kräfte gesammelt hat und sich ins Land hinein auf den Weg macht, fährt er ungehindert zwischen den Sörmländer Hügeln hindurch und gelangt ohne jegliche Schwierigkeit dort am Hjälmar nach Närke hinein. Hier fegt er quer über die Ebene hin; aber gerade gegenüber stößt er im Westen auf die hohe Kilsberger Felsenwand und wird von dieser zurückgeworfen. Da krümmt sich der Wind wie eine Schlange und jagt gegen Süden. Aber hier trifft er auf den Tived und bekommt
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