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Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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auf seiner Pfeife, die aus einem Tierhorn gemacht zu sein schien, obgleich das Horn so klein war, daß es in unsern Tagen kein Tier gibt, aus dessen Stirn es hätte gebrochen sein können. Es wußte auch niemand, wer die Pfeife verfertigt hatte. Aber die Turmeule Flammea hatte das Horn in einer Nische der Domkirche zu Lund gefunden; sie hatte es demRaben Bataki gezeigt, und diese beiden hatten miteinander ausgerechnet, daß dies eines von jenen Hörnern sein müsse, die in früheren Zeiten von den Menschen verfertigt worden waren, die sich Macht über Ratten und Mäuse verschaffen wollten. Der Rabe aber war Akkas Freund, und von ihm hatte sie erfahren, daß Flammea einen solchen Schatz besaß.
    Und es war in der Tat so, die Ratten konnten der Pfeife nicht widerstehen. Der Junge ging vor ihnen her und blies so lange, als die Sterne am Himmel strahlten, und die ganze Zeit liefen die Ratten hinter ihm her. Er blies beim Morgengrauen, er blies beim Sonnenaufgang, und noch immer folgte ihm die ganze Rattenschar und wurde weiter und immer weiter von den großen Kornböden auf Glimmingehaus weggelockt.

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5
Der große Kranichtanz auf dem Kullaberg
    Dienstag, 29. März
    Es muß zugegeben werden, daß in ganz Schonen, wo doch so viele prächtige Schlösser sich erheben, keines von allen so schöne Mauern hat wie der alte Kullaberg.
    Der Kullaberg ist niedrig und langgestreckt, er ist durchaus kein großes mächtiges Gebirge. Auf dem breiten Bergrücken liegen Wälder und Felder, und da und dort eine mit Heidekraut bewachsene Fläche. Es ist da oben weder besonders schön noch besonders merkwürdig, und es sieht da gerade so aus wie auf jeder andern hochgelegenen Gegend in Schonen.
    Wer die mitten über den Kamm des Berges hinlaufende Landstraße einschlägt, sagt sich unwillkürlich: „Dieses Gebirge verdient seine Berühmtheit gar nicht. Es gibt hier nichts Sehenswertes.“
    Aber dann geschieht es vielleicht, daß er vom Wege abweicht und an den Rand des Berges tritt und über den schroffen Abhang hinabschaut, und da entdeckt er auf einmal so viel Sehenswertes, daß er kaum weiß, wie er alles auf einmal betrachten soll.
    Denn der Kullaberg steht nicht wie andre Gebirge auf dem Festlande mit Ebnen und Tälern ringsherum, sondern er hat sich gleichsam so weit ins Meer hineingestürzt, als er überhaupt konnte. Nicht das kleinste Stückchen Land liegt unten am Berg, das ihn gegen die Meereswogen schützte; diese können ganz dicht bis an die Felsenwände heran, können sie auswaschen und nach Belieben formen.
    Deshalb stehen die Gebirgswände dort auch so reich verziert da, wie das Meer und dessen Mithelfer, die Winde, sie zugerichtet haben. Da sind schroffe, tief in die Bergseiten hineingeschnittene Schluchten und schwarze hervorspringende Felsen, die unter den beständigen Peitschenschlägen des Windes blankgescheuert sind. Da sind einzelstehende Felsensäulen, die senkrecht aus dem Wasser aufragen, und dunkle Grotten mit engen Zugängen. Da finden sich steile nackte Felswände und sanfte bewachsene Abhänge, dann wieder kleine Felsenvorsprünge und Buchten, sowie kleine Rollsteine, die mit jedem Wogenschlag rasselndumhergespült werden. Da sind auch stattliche Felsentore, die sich über dem Wasser wölben, und spitzig aufragende Steinblöcke, die beständig mit weißem Schaum überspritzt werden, und wieder andre, die sich in schwarzgrünem, unveränderlichem stillem Wasser spiegeln. Da gibt es in den Felsen eingemeißelte Riesenkessel und gewaltige Spalten, die den Wanderer verlocken, sich in die Tiefe des Gebirges bis zur Höhle des Kullamanns hineinzuwagen.
    Und an allen diesen Schluchten und Felsen, oben darauf und an allen Seiten hin, wachsen und klettern Pflanzen und Zweige und Ranken empor. Bäume wachsen auch da, aber die Macht des Windes ist so groß, daß auch die Bäume sich in rankenartige Gewächse verwandeln müssen, damit sie sich an den Abhängen halten können. Die Eichenstämme haben sich niedergelegt und kriechen förmlich am Boden hin, während ihr Laub wie ein dichtes Gewölbe über ihnen steht, und kurzstämmige Buchen stehen wie große Laubzelte in den Schluchten.
    Die merkwürdigen Bergwände mit dem weiten blauen Meer davor und der schimmernden scharfen Luft darüber, das alles zusammen macht das Kullagebirge den Menschen so lieb, daß den ganzen Sommer hindurch große Scharen von ihnen jeden Tag hinaufziehen. Schwerer wäre zu sagen, wodurch es für die Tiere so anziehend wird, daß sie sich

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