Die zehn Fragen: Roman
hübsche, junge Zofe sitzt. „Hallo, Marie." Marie wird rot. „Guten Tag, Mr. Stone."
Samuel Stone lächelt ihr zu. „Sie sind in meinem Haushalt noch ziemlich neu. Viel zu tun, hatten Sie noch keine Zeit. Aber was Sie taten, machten Sie sehr gut, meine Liebe. Ich vermache Ihnen zehntausend Dollar, auch vorausgesetzt, Sie bleiben im Hause." „Danke, Mr. Stone."
Jetzt wendet sich Samuel Stone am Bildschirm dem Rest der Versammelten zu. „Allen anderen meiner Erben hinterlasse ich hundert Dollar wöchentlich."
Einen Augenblick herrscht völlig verblüffte Stille. Die Witwe starrt wie vor den Kopf geschlagen auf den Bildschirm. „Das kannst du doch nicht machen!" ruft sie. „Was ist mit den hundert Millionen?"
„Wahrscheinlich", spricht da Samuel Stone auf dem Bildschirm bereits weiter, „fragt ihr jetzt, was denn mit den hundert Millionen ist. Tja, wenn ihr die finden wollt, dann müßt ihr euch schon sehr schlau anstellen. Der einzige Spaß, den ich in meinem Leben hatte, war Geldverdienen und Rätsellösen. Ich werde euch jede Woche einen Hinweis zum Auffinden eines Teils meines Vermögens geben. Die eine Woche mag es ein versunkener Schatz sein, die nächste Woche kann es sich vielleicht um zehn Millionen in Form von Goldbarren handeln. Wer es findet, dem gehört es."
Die Witwe ist kreidebleich vor Zorn. „Das kannst du doch nicht machen!" sagt sie noch einmal zum Bildschirm hin. „Doch, das kann ich", kommt Samuel Stones Antwort von dort sogleich wieder.
Es ist, als sei er wirklich mit im Raum und wüßte alles, was sie sagen.
„Das einzige, worauf ich dabei bestehe", fährt er fort, „ist, daß ihr alle hier im Haus zusammen leben müßt, wo jeder den anderen genau im Auge behalten kann."
Samuel Stone lächelt ihnen zu. Es ist ein hintersinniges
Lächeln. „Das wäre alles für jetzt. Dann bis nächste Woche.
Paßt mir gut auf Olivia auf."
Der Bildschirm wird schwarz.
In der Bibliothek aber ist die Hölle los. „Der Mann ist
verrückt!"
„Das ist doch gar nicht zulässig!"
Der Anwalt hebt die Hand hoch. „Augenblick noch, darf ich um allgemeine Aufmerksamkeit bitten. Es tut mir leid, aber das hier ist durchaus zulässig und rechtlich in Ordnung. Und auf jeden Fall ist er damit durchgekommen bei Gericht. Wir haben seinen Anweisungen zu folgen, oder keiner bekommt auch nur irgend etwas."
„Dieser bösartige, alte Mann", schimpft die Witwe. „Das soll er mir büßen."
„Wie denn?" fragt der Neffe. „Bekanntlich ist er schon tot." „Genau wie wir!" sagt die Witwe. „Das Geld finden wir nie." „Moment mal!" ruft jetzt sogar David. „Wer ist denn Olivia?" „Sein Papagei!"
David versinkt in kurzes Nachdenken. „Dann muß das bereits der erste Hinweis gewesen sein."
Jetzt sind alle aufgeregt. „Natürlich, richtig! Das könnte ein Hinweis sein. Es war das einzige, was er sagte, das als Hinweis in Frage kommt."
David sieht zu, wie alle sofort auf den Papageienkäfig zustürzen.
„Hallo!" sagt der Neffe. „Möchte Polly vielleicht ein wenig prima Vogelfutter?"
Der Papagei krächzt: „Kawatsch, Kawatsch! Hau ab. Ich sag' nichts, ich sag' nichts."
Die Witwe säuselt: „Du sagst uns den Hinweis, und wir geben
dir viele schöne Fressi!"
Der Papagei krächzt: „Hau ab, Metze!"
„Wieso nennt er dich eine Metze?" fragt der Neffe. „Könnte ein Hinweis sein", sagt David.
Der Papagei krächzt wieder etwas: „Hinweis, Winheis, Michel, Angel." „Das ergibt keinen Sinn", sagt der Anwalt.
Aber David widerspricht. „Tut es schon! Setzt das mal zusammen! Metze, das kann ein Steinmetz sein, und ein Steinmetz kann auch Bildhauer sein. Und Michel Angel könnte Michelangelo bedeuten. Nicht?"
„Genau, das ist es! Samuel besitzt doch einen Michelangelo! Der muß Millionen wert sein!"
„Wo ist der?" fragt der Neffe. „In Los Angeles, im Museum."
Und so begann das Rennen um den ersten Teil des Vermögens von Samuel Stone. Die ganze Familie setzte sich ins Auto und veranstaltete ein Rennen, wer zuerst in dem Museum war, um den Anspruch auf die Statue zu erheben. Alle träumten sie bereits davon, was sie mit dem vielen Geld tun würden, sobald sie es hätten. Alle außer David.
David war nur daran interessiert, das Geld, damit davon den Armen geholfen werden konnte, seiner Wohltätigkeitsstiftung zuzuführen, die er ausgerechnet nach Samuel Stone benannt hatte.
Der erste, der den Museumsdirektor erwischte, war der Anwalt. „Was kann ich für Sie tun?" fragte der Direktor.
„Tja",
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