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Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Dilling
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neues Segment im umkämpften Markt des Online-Datings jagt den klassischen Partnerbörsen wie Parship und ElitePartner (zu diesen mehr in Kapitel 3 und 4) derzeit massiv Marktanteile ab: Casual Dating, die jugendfreie Umschreibung für Flirts, die darauf ausgerichtet sind, dass man miteinander ins Bett geht.
    Das »Bunga-Bunga-Business«, wie es die Wirtschaftswoche genannt hat, boomt, der Umsatz von Casual-Dating-Seiten hat sich 2010 verdoppelt. Tüv-besiegelt, mit Sicherheit und Anonymität werbend und stilvoll aufgemacht wollen sich immer mehr Anbieter vom Image des Bumsbasars befreien – und vor allem Frauen auf ihre Seiten locken. Die blieben bei ähnlichen Angeboten früher fern. Die derzeit erfolgreichste Casual-Dating-Seite ist C-Date – die im Look eines Dessousherstellers der Luxusklasse daherkommt. Daneben gibt es unter anderem Secret, einen Ableger der Telekom-Tochter FriendScout24, und Prime Date, das der ehemalige Parship-Geschäftsführer Arndt Roller gegründet hat. Manche der Portale machen keinen Hehl daraus, Seitensprünge zu vermitteln (»meet2cheat«), andere verklausulieren die Anstiftung zur Untreue und werben mit positiver besetzten Begriffen wie Zwanglosigkeit, Spontaneität, Abenteuer. Die Message an die User ist dieselbe: Hier findet sich alles, was Beziehung nicht ist. Aufregender Sex (»endlich Fantasien ausleben«) wird gegen das Konzept einer festen Beziehung ausgespielt: »Lockeres Kennenlernen ohne Verpflichtungen«, heißt es auf der Startseite von C-Date. »Casual Dating lässt Erwachsene den direkten Weg zur eigenen Befriedigung finden, ohne eine Bindung eingehen zu müssen.« Die Beziehung als etwas, das einen nicht nur in Sachen beruflicher Selbstverwirklichung behindert, sondern auch auf dem Weg zur sexuellen Selbstverwirklichung. Ein Spießergefängnis eben.
    Die 68er waren die Ersten, die den Sex aus der Zwangsehe mit der Liebe befreiten. Es sind die heute Dreißig- bis Vierzigjährigen, die davon am meisten profitieren, denn erst das Internet hat revolutioniert, wie man diese Trennung von Sex und Liebe effektiv und moralisch einwandfrei organisieren kann. Diese Generation muss sich nicht mehr zwischen Single-Sein und Paarbeziehung entscheiden. Ihr hat sich eine Zwischenwelt geöffnet, dieselbe Art von Zwischenwelt, die vor allem die Jüngeren unter ihnen längst aus anderen Lebensbereichen kennen: Du kannst diesen Job haben, aber er ist befristet. Du kannst diese Wohnung haben, aber es ist nur vorübergehend. Und du kannst regelmäßig mit mir schlafen, aber ich will nichts Festes.
    An Casual Dating zeigt sich, wie sich vor allem bei Frauen der Umgang mit Sex verändert hat. Er ist zu einer »Art Freizeitbeschäftigung mit Wellness-Charakter« geworden, wie es der französische Soziologe Jean-Claude Kaufmann formuliert. Rein an Sex interessiert zu sein – ohne das Vehikel einer Beziehung –, ist wesentlich stärker anerkannt als früher. Mussten vor allem Männer in der Vergangenheit für das unverbindliche sexuelle Erlebnis noch falsche Tatsachen vorspielen, wird unverbindlicher Sex heute offen und einvernehmlich arrangiert.
    Das wesentliche Merkmal dieser verabredeten Abenteuer besteht jedoch nicht in ihrer Virtualität, sondern in der Flüchtigkeit der realen Begegnung. Das Internet ist lediglich der virtuelle Raum, in dem sie initiiert werden, eine Art Separee, in dem man frei von den moralischen Urteilen anderer die Auslebung sexueller Bedürfnisse organisieren kann. Suche: Unterleibszweckgemeinschaft, biete: mich.
    Michael, ein 45-jähriger Online-Dater aus Frankfurt, sagte mir in einem Interview: »Der größte Quatsch ist doch, dass diese Flirt- und Single-Portale mit der Liebe werben. Die meisten nutzen die doch für was anderes. Es ist ein bisschen wie ins Bordell zu gehen: Gegen Bezahlung bekommt man Kontaktadressen.« Zugegeben, eine extreme Sicht, vor allem vor dem Hintergrund, dass Michael selbst seine große Liebe bei Datingcafe.de gefunden hat: Anne, mit der er inzwischen eine Tochter hat (»Das mit Anne war ein glücklicher Zufall«). Interessant aber ist, dass Michael den Supermarkt des Zwischenmenschlichen nicht als High-End-Warenhaus betrachtet, sondern als Discounter, wo man dem schnellen, unverbindlichen Konsum frönt. Aus seinen Aussagen spricht der Wunsch nach Distinktion: Wie viele Online-Dater, die sich für ein bestimmtes Portal entschieden haben, grenzt er sich von anderen ab. »Bei FriendScout sind ja nur Leute, die auf Sex aus sind« oder

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