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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Gesellschaft.»
    «Stimmt. Der einzige Mann in unserer Geschichte, der das alles wirklich verstand, war Sir William Gilbert.»
    «Ein Premierminister?»
    «Nein. Er schrieb Operetten. Wir sind als Volk leicht zu verstehen, wenn man einen ausgeprägten Sinn für das Lächerliche hat. Schließlich waren wir ja so skurril, 1940 nicht zu erkennen, daß wir von den Deutschen besiegt worden waren.»
    «Wo liegt das Hospital mit dem verheißungsvollen Namen?»
    «In Spratt’s Bottom 2 .»
    «Ein Verwandter von Ihnen?»
    «Zufälligerweise ja. Ich entstamme einer Familie von Landedelleuten, die hier vor mehr als hundert Jahren begütert waren. Jetzt ist die Gegend nichts als eine der vielen Vorstädte Londons. Ohne jede Form, Charakter oder Eigenleben. Nichts weiter als ein Ort zum Schlafen und Einkäufen. Wie etwa ein Ferienzeltlager am Strand.»
    «Es ist auf der ganzen Welt dasselbe. Es gibt nur ein einziges zwingendes Argument zugunsten der Vorstädte. Die meisten Menschen leben in ihnen, die übrigen wollen darin leben.» Sie bemerkte, daß Sir Lancelots Lippen sich geräuschlos bewegten, während er auf die unbeweglichen Hecklichter des vor ihm stehenden Lastautos starrte. «Da wir hier offenbar noch eine Weile steckenbleiben, erzählen Sie mir doch etwas von sich selbst. Sind Sie verheiratet?»
    «Verwitwet.»
    «Oh, tut mir leid. Leben Sie ganz allein?»
    «Ich habe eine schottische Haushälterin.»
    «Echt oder nur dem Namen nach?»
    «Ihre Leistungen in der Küche sind so wenig anregend, daß ich jede Neugier auf ihre Leistungen im Schlafzimmer verloren habe.»
    «Verstehe. Nun, und ich bin geschieden. Wieder und eben geschieden. Der Titel steht für eine Vielzahl von Sünden. Oder Fehlern, die im großen und ganzen weniger vergnüglich sind. Hat Ihnen Schrumpfe gefallen?»
    Er nickte. «Es hat mich mit Stolz erfüllt, Ms. Witherspoon, daß die Wissenschaft der Psychatrie vom Großvater eines liberalen britischen Parlamentsmitglieds erfunden wurde. Er war auf Hundefutter fixiert.»
    Sie war leicht verdutzt. «Warum nennen Sie mich nicht Amelia?»
    «Weil ich die moderne Gewohnheit, sofort intim zu werden, mißbillige.»
    «Lancelot ist ein attraktiver Name», sann sie. «Sie wissen schon, der Runde Tisch, der Heilige Gral, die Dame vom See. Hat noch niemand Ihr Skalpell genannt?»
    «Nein, aber ich werde bisweilen als     «Vielleicht haben Sie einen netten Kosenamen, der Ihnen lieber ist?»
    «Den hab ich. Aber da er lautet, ist er mir nicht lieber.»
    Sie lachte. Jetzt begannen sie sich im Kriechtempo vorwärts zu bewegen. «Wußten Sie, daß man in England 5,2 Prozent des Bruttonationalproduktes für Gesundheit ausgibt, wovon 4,6 Prozent aus öffentlichen Geldern stammen?»
    «Nein.»
    «Und daß die Vergleichswerte in den Vereinigten Staaten bei 7,4 und 3,0 Prozent liegen?»
    «In der Tat?»
    «Daß das durchschnittliche Einkommen des britischen Arztes 2,7 Prozent vom Durchschnittseinkommen des britischen Arbeiters beträgt?»
    «Verständlich.»
    «Verglichen mit 5,6 in den Vereinigten Staaten?»
    «Glückspilze.»
    «Die durchschnittliche Lebenserwartung des Briten im Alter von dreißig Jahren beträgt 41,7 Jahre — interessieren Sie sich überhaupt für das alles?»
    «Nicht im mindesten.»
    «Worüber sollen wir also reden?»
    «Über Kricket?»
    «Kricket!» rief sie entsetzt. «Das ist doch nur ein Spiel.»
    «Das ist es bestimmt nicht allein», sagte er, sich erwärmend. «Es ist ein dauerhafter sozialer Zement. Hätten, nach Ansicht des Historikers Trevelyan, die französischen Aristokraten im Jahr 1789 mit ihren Bauern Kricket gespielt, wären ihre Schlösser niemals in Brand gesteckt worden. Es ist eine bei Müllfahrern und Herzögen gleich beliebte Tätigkeit; übrigens war einer von diesen letzteren kürzlich der erfolgreiche Kapitän des englischen Teams.»
    «Ich kann mir keinen von den Kennedys oder Rockefellers als Kapitän bei New Yorker Wettkämpfen vorstellen», erwiderte sie nachdenklich. «Wissen Sie — Sie haben mir da etwas gesagt, was mich mit Hoffnung für die Briten erfüllt.»
    «Was denn?»
    «Sie scheuen sich nicht, verrückt zu sein, wenn der Rest der Welt sich in den Wahnsinn hineinmanövriert bei dem Versuch, den Verstand zu behalten.»
    Sie hatten sich plötzlich aus dem Verkehrsdschungel befreit. Sir Lancelot näherte sich rasch seinem Ziel bei starkem Gegenverkehr. Spratt’s Bottom, das Dörfchen der

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