Doktor auf Abwegen
höflich. Unser Sinn für Humor ist in der ganzen Welt bekannt.»
«Oh, ihr habt eine nette Königin und viel Bewundernswertes», erklärte sie liebenswürdig. «Ein Jammer, daß ihr so pleite seid.»
«Zumindest tun wir kein Eis in unseren Whisky», gab er, schon etwas schärfer, zurück. «Will sagen - äh, hier steht mein Auto.»
«Also Ihnen gehört es?» Eine knochige Frau in blau-gelber Uniform fixierte ihn mit einem Auge, das so kalt war wie Aal in Aspik.
«Ihre Beflissenheit ist lobenswert, aber darf ich darauf hin weisen, daß es noch nicht halb neun ist?»
«Und darf ich Sie darauf hinweisen, daß Sie auf einer doppelten _ gelben Linie stehen? Was heißt, daß Sie hier zu gar keiner Zeit parken dürfen? Verstanden?»
Sir Lancelots Bart hob sich in Angriffsposition. «Ich bin Arzt.»
Es war sein stärkstes, schlagkräftigstes Geschoß. Doch es traf da-
«Hören Sie, mir ist es Wurscht, ob Sie Arzt oder Hafenarbeiter sind. Alle Leute sind mir gleicherweise unsympathisch, wenn sie auf meinen
gelben Linien parken.»
«Meine gute Frau!» Sir Lancelot explodierte. «Nehmen Sie doch
Vernunft an -»
«Ich verbitte mir, mich mit anzureden», sagte die Verkehrspolizistin sauer. «Da haben Sie Ihren Strafzettel. Jetzt aber schauen Sie daß Sie mit Ihrer Tochter weiterkommen und den Platz für andere Leute räumen.»
Sir Lancelot zwang sein Gesicht zu einem Grinsen. «Diese Weibsbilder werden immer reizbarer.» Er öffnete für Amelia den Wagenschlag. «Was andererseits durchaus verständlich ist, wenn die ganze Welt ununterbrochen darauf besteht, daß sie im Unrecht sind. Kassandra muß es ähnlich zumute gewesen sein.»
»Darf ich fragen, wohin wir fahren?»
Er zwängte sich in den immer stärker werdenden Verkehr. «Zum Heiligen-Grab-Hospital.»
«Ein anregender Name», überlegte sie. «Aber nicht sehr förderlich für die Moral, wenn man unter einer solchen Aufschrift in großen Goldlettern hineingerollt wird.»
«Es ist ein alter und bei unseren Kirchen nicht ungewöhnlicher Name. Ein schönes Beispiel dafür steht dem St.-John’s-College in Cambridge gegenüber. Ich operiere jeden Donnerstag im Heiligen Grab. Ich habe vom Gesundheitsministerium erfahren, daß Sie zuerst lieber eine kleinere Anstalt des Volksgesundheitsdienstes studieren wollen als ein klinisches Musterbeispiel wie das St.-Swithin.»
«Alle Krankenhäuser faszinieren mich.»
«Mich erschrecken alle zu Tode. Und das, bevor ich noch die Ärzte darin gesehen habe. Sie verdammter Narr», brüllte er durch das offene Fenster, «wenn Sie Selbstmord begehen wollen, springen Sie von der Westminster-Brücke hinunter, aber verbeulen Sie nicht meine teure Karosserie.»
«Was für ein Wortschatz», murmelte Amelia bewundernd, als der Fußgänger, die Fäuste schüttelnd, Sir Lancelot abseitige sexuelle Neigungen unterstellte.
Sir Lancelot lächelte ölig. «Kommt zweifellos aus Billingsgate. Die haben dort eine bekannt schauerliche Sprache.»
«Haben Sie etwas dagegen, wenn ich rauche?»
«Ja, sogar sehr viel», fuhr er sie an. «Will sagen, verehrte Ms. Witherspoon, ich mißbillige diese Angewohnheit zutiefst, aber rauchen Sie nach Belieben.»
Sie steckte gehorsam die Zigarette in ihre Handtasche zurück. Sie waren inzwischen, eingeklemmt zwischen zwei dröhnenden Lastautos, zum Stillstand gekommen. «Wieso sind plötzlich alle Verkehrsampeln ausgefallen?»
Er erklärte leichthin: «Die Männer, die sie betätigen, halten sich zufällig einmal an die Vorschrift.»
«Was für eine Vorschrift?»
«Der britische Arbeiter ist vielerlei Vorschriften unterworfen. Sie sind dazu da, um ihn vor Überarbeitung zu schützen. Was auf Kosten der Gesundheit, ja selbst des Lebens gehen könnte. Aber unsere Arbeitnehmer sind so eifrig, daß sie derlei Vorschriften allzuoft übertreten.»
«Wollen Sie damit sagen, daß hier kein Mensch schwerer arbeitet, als er es dem Gesetz nach dürfte?» fragte sie verwundert.
«Die Vorschriften sind oft seltsam archaisch. Ich glaube, würde ich mich streng an sie halten, so müßte ein Mann mit einer roten Flagge vor dem Auto herlaufen.»
«Aber wenn die Vorschriften so altmodisch sind, warum werden sie dann nicht von diesen angeblich so arbeitsbesessenen Leuten abgeschafft?»
«Ah! Dann könnten sie ja keine Bezahlung dafür verlangen, daß sie die Vorschriften ihren Chefs zuliebe übertreten.»
Sie stieß einen Seufzer aus. «Die Briten sind anscheinend eine recht komplizierte
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