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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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leutseligen, rotbackigen Spratts, hatte sich ursprünglich um das Herrenhaus der Lords Cherrymore, eine normannische Kirche, ein elisabethanisches Wirtshaus und eine Schmiede geschart, in der Cromwells Pferde beschlagen worden waren. Als die Spratts ihr Grundrecht verkauften — mit einem gewaltigen Profit, sie sahen voraus, daß hier eine Eisenbahnhaltestelle errichtet werden würde —, hatte sich der Weiler so ziellos und unaufhaltsam wie Unkraut auf einem Misthaufen ausgebreitet.
    Zuerst tauchte ein Außenwerk von Rotziegelbauten auf, mit Zinnen und Türmchen bewehrte Schlösser, zu denen einst viktorianische Kaufleute allabendlich mit dem paffenden Dampfroß auf der frisch trassierten Strecke aus ihren soliden Büros in der City zurückkehrten. Nach dem Ersten Weltkrieg zogen sich die Bänder der Bezirksstraßen durch die Felder, an deren Rändern Häuser im Stil von Anne Hathaways Villa emporwuchsen, in dauerhafter architektonischer Kopulation paarweise aneinandergebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg ergossen sich Wohnhäuser von einer faszinierenden Vielfalt über die noch freien Stellen - rosa gefärbelte andalusische Villen, Wildwest-Ranch-Häuser aus Plastik, säuberlich zweckbetonte Menschenverschläge mit Zwischenstockwerken. Sie machten sich in kleinen Straßenausbuchtungen breit, wurden von Architekten, Meistern der Ballungskunst, in Winkeln zusammen- und übereinandergequetscht. Sie strebten in Gärten empor, über den Grundmauern der ersten massiven Häuser, in denen Dienerschaft hin und her geeilt war.
    «Da sind wir», kündigte Sir Lancelot an und nickte durch die Windschutzscheibe. «Das ist der Golfklub.»
    Der einzige freie Platz in Spratt’s Bottom lag in einer Umfriedung von Pappeln und Birken, die saftiggrünen Rasenflächen waren bereits mit prächtig ausgerüsteten Spielern gesprenkelt, auf den Tennisplätzen tummelten sich muntere Hausfrauen mit braungebrannten Beinen in dem Wimbledon-Dress des vergangenen Jahres.
    «Sieht genau wie in Kalifornien aus», bemerkte Amelia.
    «Ja, der Platz ist ein kleiner Ausrutscher unserer Lokalgeschichte. Er wurde in den dreißiger Jahren von einem jener ungarischen Produzenten errichtet, denen die britische Filmindustrie so viele belebende Momente verdankt. Wie bei allen ungarischen Produzenten bestand sein größter Ehrgeiz darin, wie ein unaufdringlicher englischer Landedelmann zu wirken. Aber er machte so viele ungeheuer erfolgreiche Filme, daß er bankrott ging. Seine preisgekrönten Rinder- und Schafherden mit Pedigree, seine Ställe für Pferde und Hundemeuten wurden zusammen mit seinem Chippendale und Hepplewhite, seinen Gainsboroughs und Romneys versteigert. Inzwischen hatten sich so viele junge Frauen an seinem Freiluftbecken blau gefroren, daß der Produzent die fixe Idee bekam, das Klima von Spratt’s Bottom sei dem von Santa Barbara ähnlich. Der Platz beherbergte eine Luftabwehrbatterie während des Kriegs», fuhr Sir Lancelot fort. «Und ist seither, wie ich glaube, durch die raffgierigen Finger vieler Grundbesitzer gegangen.» Er fuhr nun auf einer breiten, gut gepflasterten, von Bäumen bestandenen und sichtlich von Hundeverdauung verschonten Straße dahin. «Wir nehmen jetzt eine Abkürzung», sagte er, um eine Ecke biegend.
    Die Marotten eines Bauspekulanten wurden plötzlich von der strengen Gesinnung der Stadtverwaltung verdrängt. Reihen rostbrauner Ziegelbauten mit roten Dächern, richtige Gemeindehäuser, erstreckten sich über das sanft gewellte Land, alle voneinander sowenig unterscheidbar wie die Zähne eines Kammes.
    «Wer wohnt hier?» fragte Amelia.
    «Arbeiter.»
    «Ausschließlich?»
    «Sie wurden von Mr. Herbert Morrisons freundlichem Londoner Gemeinderat gedankenlos zu sozialer Apartheid verurteilt. Sie sehen ja, wie sie gezwungen sind, ihre Autos im Rinnstein zu parken, weil die offiziellen Stellen so blind sind, nicht zu erkennen, daß der bescheidene Lohnempfänger seit jeher die noble Demut des Fahrrads verschmäht. Ich will den Sozialismus nicht herabsetzen - dem sich die Hälfte meiner Landsleute verschrieben hat —, aber er fußt auf den zwei deprimierenden Grundsätzen, daß es immer Arme geben muß und daß man niemandem zumuten kann, sein eigenes Geld auszugeben.»
    «Wie ist Spratt’s Bottom politisch? Sozialistisch oder kapitalistisch?»
    «Bemerkenswert ausgeglichen. Manchmal gehört der Gemeinderat der Labourpartei an und verschwendet das Geld des Steuerzahlers wahllos auf Spielplätze und Saunabäder.

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