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Drachengold

Drachengold

Titel: Drachengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Novik Naomi
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kamen, schickte die Dapple ein blaues Licht herauf, und als die Besatzung daraufhin in der Luft die englische Flagge sah, hisste sie ihre eigene als arglosen Willkommensgruß: Natürlich würde der Kapitän nicht im Traum damit rechnen, aus der Luft seiner Männer beraubt zu werden. Laurence erinnerte sich nicht, wer im Augenblick das Kommando über die Dapple hatte; nach der Katastrophe von Shoeburyness hatte es eine ziemlich große und beklemmende Umverteilung der Kapitäne gegeben. Als er hinunterstieg, versuchte er, sich einen Überblick zu verschaffen, wie viele Offiziere ihm überlassen werden konnten. Erst als er auf dem Deck angelangt war – geradewegs im vertrauten Alltagsleben eines Marineschiffes – und nach seinem Namen gefragt wurde, wurde ihm mit einem Schlag wieder seine eigene merkwürdige Position bewusst. Für die meisten Offiziere in England war er noch immer ein verurteilter Verbrecher und Verräter. Seine Wiedereinsetzung in den Dienst hatte ganz sicher noch nicht die Runde gemacht.
    Â»Kapitän William Laurence«, sagte er, »auf Temeraire.« Er sah den Anflug von Verwirrung auf den Gesichtern einiger jüngerer Offiziere, und ein Raunen lief über das Deck, als die wenigen Ahnungslosen, denen diese Namen nichts sagten, ins Bild gesetzt wurden. Blicke wanderten hinauf zum dunkler werdenden Himmel, wo Temeraires schwarze Haut sich nur noch als ein Schatten abzeichnete.
    Der dritte Leutnant des Schiffes, ein junger Mann von nicht einmal zwanzig Jahren, seinem Aussehen nach zu urteilen, wies einige Matrosen an, das Pontondeck zu Wasser zu lassen, das einem Drachen eine Landemöglichkeit geben konnte. »Bitte festmachen, Mr Rightley«, sagte er und sah dann zu seinem Kapitän.
    Â»Kapitän Adair Galloway«, sagte dieser Gentleman, der ungefähr in einem Alter mit Laurence zu sein schien, ohne eine Hand zum Gruß auszustrecken, »und Sir, ich denke, ich kann eine Erklärung erwarten.«
    Â»Die sollen Sie bekommen, Sir«, antwortete Laurence, »aber ich muss mich kurzfassen: Ich bedauere es sehr, dass ich mit einer solchen Forderung zu Ihnen komme, doch ich muss jeden Ihrer Männer mitnehmen, den Sie entbehren können, und wenn möglich auch solche, von denen Sie sich nur ungern trennen wollen.« Es entging ihm nicht, dass diese Worte auf dem Deck für noch mehr ungläubige Blicke sorgten als die Nennung seines Namens, und Galloway sah vollkommen konsterniert aus. Laurence war sein Name ein Begriff, und er kannte auch seinen Ruf als Pedant – und genau so sah sein Schiff auch aus. Es hatte gerade eine Atlantiküberquerung hinter sich gebracht und stand nun kurz davor, Kurs auf Kap Hoorn zu nehmen. Trotzdem glänzte die Farbe wie neu, und das Kupfer schimmerte warm unter den Laternen. Die Offiziere waren bis auf den letzten Mann in Uniformen gekleidet, mit denen sie auch unbesehen an einem förmlichen Abendessen würden teilnehmen können, und die Atmosphäre auf dem gesamten Schiff war von einer geordneten Ruhe geprägt.
    Kurz gesagt, die Dapple wurde ganz genau so geführt, dachte Laurence, wie er es einst selber gehandhabt hatte. Plötzlich war er sich seiner fleckigen Hosen, der abgeschabten, ungeschwärzten Schuhe und seines vergilbten Leinenhemds nur allzu schmerzlich bewusst. Aber, so absurd es auch schien – er hatte einen Vorteil auf seiner Seite: Er war vier Jahre vor Galloway auf die Liste gesetzt worden und somit der Dienstältere. »Sollen wir vielleicht hineingehen, Sir?«, fragte er. »Temeraire wäre froh, sich eine kleine Weile auszuruhen, wenn das möglich ist, aber wir müssen so schnell es geht wieder aufbrechen. Jede Minute zählt.«
    Galloway blieb kaum etwas anderes übrig, als Laurence in seine Kabine auf dem Achterdeck zu bitten und die Tür zu schließen, um die neugierige Besatzung auszusperren. Natürlich wusste Laurence, dass, selbst wenn nicht jedes Ohr an Bord des Schiffes auf die Tür gepresst werden konnte, sich die hier besprochenen Neuigkeiten doch wie ein Lauffeuer verbreiten würden. »Sir«, begann er. »Ich hoffe, Sie mögen es mir verzeihen, wenn ich sofort zur Sache komme, aber ich sehe Ihr Zweifeln. Ich habe am 11. November des letzten Jahres meinen alten Platz auf der Liste zurückerhalten. Doch meine persönlichen Umstände sind jetzt nicht wichtig. Es liegen zwei französische Transporter in Rio, die

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