Diese Nacht gehoert der Liebe
1. KAPITEL
Nick Santos gehörte zu der Gruppe Jungen, vor denen die Mütter in Wolf River, Texas, ihre Töchter früher eindringlich gewarnt hatten. Allein mit seinem Lächeln hätte er jedes Mädchen verführen können, aber seine geheimnisvollen dunklen Augen machten ihn geradezu unwiderstehlich anziehend.
Er galt als rasanter Bursche, und nach zwölf erfolgreichen Jahren als Motorradrennfahrer war er heimgekehrt. Niemanden überraschte das mehr als Nick selbst. Eigentlich war er zur Hochzeit seines Freundes Lucas Blackhawk nach Wolf River ge kommen. Aber er hatte beim besten Willen nicht vorgehabt zu bleiben. Nick Santos war nicht der sesshafte Typ.
Im Nachhinein begriff Nick, dass ihn wohl etwas Unerklärliches in die alte Heimat zurückgezogen hatte. Doch er hatte ge glaubt, dass dieses eigenartige Gefühl sich verlieren würde, sobald er dort ankäme. Das war vor sechs Monaten gewesen. Er war nicht nur in Wolf River geblieben, sondern hatte sich auch im besten Alter von dreiunddreißig Jahren zum Ausstieg aus dem Rennzirkus entschlossen und seine eigene Werkstatt eröffnet, „Santos Motorräder”. Nicht etwa, um Geld zu verdienen - davon hatte er bereits mehr als ge nug. Nein, ihm machte es Spaß, Maschinen auseinander zu nehmen, zu reparieren und wieder zusammenzusetzen. Motorräder faszinierten ihn, und seine Fähigkeit, an ihnen herumzubasteln, begeisterte ihn so sehr wie früher einmal die Rennen.
Nick mochte keine Rennen mehr fahren, aber er konnte in einer Art und Weise mit Motorrädern umgehen, die ans Übernatür liche grenzte. Er besaß eben ein Händchen für die Maschinen.
Für Frauen natürlich auch.
In den vergangenen sechs Monaten hatte er allerdings wenig Zeit für weibliche Gesellschaft gehabt. Sein Geschäft hatte gleich von dem Augenblick an floriert, als bekannt geworden war, dass der viermalige Nationalmeister, Nick Santos, seine eigene Werkstatt im Ort aufgemacht hatte. Die Kunden waren von überall herbeigeströmt. Nick hatte nicht mal mehr Zeit, selbst zu fahren, geschweige denn außerplanmäßig etwas zu unternehmen.
Jetzt, wo er in der Tiefkühlkostabteilung des Supermarktes stand, dachte Nick über sein Liebesleben nach. Sollte er nicht doch Sue Ann Finleys Einladung zum Essen annehmen, die er vor ein paar Stunden erhalten hatte? Rotwein, ein saftiges Steak und gebackene Kartoffeln.
Zum Dessert gäbe es eine Überraschung, hatte sie ihm heiser zugeflüstert. Als ob er sich nicht denken könnte, was sie meinte. Er erinnerte sich an die attraktive Figur und die großen braunen Augen der Brünetten. Seufzend öffnete er die Tür des Gefrierschranks. Ein kalter Hauch wehte ihm ent gegen und drang ihm durch Jeans und Baumwollhemd bis auf die Haut.
So verführerisch Sue Anns Angebot auch war, er musste einen Vergaser zusammenbauen und bis neun Uhr heute Abend vier Zylinder einsetzen, wenn er es morgen nicht mit einem empörten Kunden zu tun haben wollte. Da er Hamburger und Pizza nicht mehr sehen konnte, hatte er beschlossen, sic h ein tiefgefrorenes Gericht zu holen. Das war immerhin schon fast so gut wie frisch gekocht.
Es gab eine große Auswahl. Er musterte die Verpackungen. Gebratenes Hähnchen mit Kartoffelpüree. Hühnersuppentopf mit Käse. Makkaroni mit Käse. Tiefkühlkost war leicht und rasch zuzubereiten, aber so ein Gericht war nun mal weit ent fernt von einem saftigen Steak und den dampfenden Backkartoffeln, von denen er träumte.
Allerdings gab es noch etwas, wovon er träumte …
Er sah nur den Schimmer kastanienbrauner Haare, als die Frau um die Ecke bog. Aber es reichte, ihn von der Tiefkühlkost wegzulocken und ihr nachzuspähen. Er nahm sich eine Tüte Schokoladenkekse und schlenderte wie zufällig um die Ecke.
Ihr Haar war tatsächlich kastanienbraun. Es schimmerte rötlich-golden wie Herbstlaub und fiel locker über ihre Schultern. Ein Mann konnte die schlanke Taille der Frau leicht mit beiden Händen umspannen. Die eng anliegende braune Hose, die sie trug, betonte lange, wohlgeformte Beine.
Sie stand nicht mehr als einen guten Meter von ihm entfernt, vor einem ein Meter achtzig hohen Turm von Dosen mit grünen Bohnen, hatte einen hellblauen Korb am Arm und kehrte ihm den Rücken zu, während sie auf ihre Einkaufsliste blickte.
Wer mag das sein? überlegte er und trat näher. Sie wohnte wohl nicht in Wolf River. Mit Sicherheit hätte er sie schon eher bemerkt, wenn das der Fall wäre.
Er trat ans Regal mit den Nudeln, damit er mehr in ihre Nähe kam.
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