Drachenlust
S ie reiten den Donner, spüren die Kraft zwischen ihren Schenkeln vibrieren. Gefährlich dröhnen die Motoren ihrer Chopper und Cruiser durch die hohen Schluchten der schlafenden Stadt. Sirrusch atmet tief ein, schmeckt die Gerüche der lauen Sommernacht mit jeder Zelle und fühlt sich lebendig. Er ist erneut auf der Jagd, auf der Suche nach einer Spielgefährtin, die ihm sein Leben für ein Jahr versüßen darf. Voller Vorfreude blitzen seine grünen Augen auf. Er wirft einen Blick zur Seite, sieht, wie Takere eine Augenbraue wölbt und grinst. Seine rechte Hand ahnt, warum er die Jungs zusammengetrommelt hat. Ab jetzt rollen die Würfel erneut, wird das Schicksal über seinen weiteren Lebensweg entscheiden. Und, wer weiß? Vielleicht findet er ja endlich die Eine, auf die er schon so lange wartet. Diejenige, deren Funkeln im Innern sein Feuer entfachen kann.
Während ihres Rittes durch die Stadt gehen seine Gedanken zurück zu dem schicksalsträchtigen Tag, als er so unbedacht ein Versprechen gab.
Jedes Mal, wenn er sich erneut auf die Pirsch begibt, erinnert er sich an dieses letzte Gespräch mit seiner Mutter und es erscheint ihm, als wäre es erst gestern gewesen.
„Sohn, wann wirst du mir eine Tochter bringen?“ Begleitet von einem liebevollen Lächeln und einem sanften Streichen ihrer kleinen, schmalen Hand durch sein goldenes Haar.
Er weiß, sie fragt nur, weil sie sich Sorgen macht, er würde sein langes Leben alleine verbringen müssen.
Er weiß, sie will ihn nicht drängen und doch …
„Wie könnte ich eine Schwiegertochter finden, die dir ebenbürtig ist, Hayati? Keine gleicht dir und nirgendwo sah ich eine Liebe, die deiner zu Vater nahe kommt. Du siehst, ihr beide habt mich für die Ehe verdorben.“
Sein schelmisches Grinsen wird prompt von einem leichten Schlag gegen seinen Hinterkopf quittiert.
„Du Schlingel! Ich warne dich! Du wirst nie alt genug sein, als dass ich dich nicht noch über meine Knie beugen kann, um dir den Hintern zu versohlen, bis er rot glüht! Ich will eine Tochter! Und du wirst sie mir bringen!“
Leise lachend reibt er sich den Kopf und setzt seinen berühmt berüchtigten Herzensbrecherblick auf. Er überrumpelt sie in dem Moment, als ihre strenge Miene schmilzt, packt sie um die Mitte und wirbelt sie hoch in der Luft mit sich im Kreis herum.
„Was brauche ich eine Frau, wenn ich die beste und schönste Mutter der Welt habe?“
Quietschend wie ein junges Mädchen legt sie ihre zarten Hände um seinen Hals und lacht so hell auf, dass alle Bediensteten ihre Arbeit ruhen lassen, um lächelnd dem Spiel von Mutter und Sohn zuzusehen. Es ist ein Bild für die Götter, wie der zwei Meter große, perfekt muskulierte Mann, die zierliche Frau wild schwenkt, aber sie gleichzeitig sanft und vorsichtig mit seinen kräftigen Händen umfangen hält. Man kann sehen, wie nah sie einander sind, wie sehr Sirrusch sie verehrt und liebt.
Obwohl er aussieht wie ein spartanischer Krieger und sie mit ihrem langen schwarzen Haar und den leicht schrägen Augen eher asiatisch anmutet, erkennt man dennoch ihre Züge in seinem Gesicht. Für einen Kämpfer ist er fast zu schön, fast zu elegant geformt. Aber gerade die Kombination aus ihrer strahlenden Anmut und dem männlich markanten Schnitt seines Gesichtes, zeugen von wahrem, ungekünsteltem Adel. Nicht umsonst fließt das reinste, blaue Blut in seinen Adern, nicht ohne Grund trägt er den Titel 'Drache des Marduk'. Denn eines Tages wird Sirrusch den Edelsteinthron besteigen, weil er sich als der Würdigste unter all seinen Geschwistern erwiesen hat.
„Lass mich runter! Du Schuft! Schlingel! … Oooohhh ... lass mich … sofort runter! Warte nur, wenn ich das deinem Vater erzähle!“
„Was willst du mir erzählen?“
Mit strenger Miene kommt Nabu-kudurri-usur um die Ecke geschlendert und verschränkt die Arme vor der Brust. Eine wirklich imposante Erscheinung ist sein Vater, wie er da in Hayatis Lustgarten steht. Groß und mächtig, in wertvollstes Tuch gekleidet, das von Gold und Edelsteinen nur so strotzt und der Herr über ihr aller Leben. Aber Sirrusch kennt ihn zu gut, um sich einschüchtern zu lassen. Er hat sofort das verräterische Zucken seiner Mundwinkel gesehen, das liebevolle Funkeln in den Augen entdeckt. Ohne sich stören zu lassen, schwingt er seine Mutter noch ein wenig herum, als wäre sie wie eine Feder so leicht. Dann plötzlich grinst er frech, entzieht sich ihren Händen und wirft sie hoch in die
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