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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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sich die ganze lange Nacht in den höchsten Wipfeln wiegen und schaukeln läßt.
    Moritz
    Knöpf dir die Weste auf, Melchior!
    Melchior
    Ha – wie das einem die Kleider bläht!
    Moritz
    Es wird weiß Gott so stockfinster, daß man die Hand nicht vor den Augen sieht. Wo bist du eigentlich? – – Glaubst du nicht auch, Melchior, daß das Schamgefühl im Menschen nur ein Produkt seiner Erziehung ist?
    Melchior
    Darüber habe ich erst vorgestern noch nachgedacht. Es scheint mir immerhin tief eingewurzelt in der menschlichen Natur. Denke dir, du sollst dich vollständig entkleiden vor deinem besten Freund. Du wirst es nicht tun, wenn er es nicht zugleich auch tut. – Es ist eben auch mehr oder weniger Modesache.
    Moritz
    Ich habe mir schon gedacht, wenn ich Kinder habe, Knaben und Mädchen, so lasse ich sie von früh auf im nämlichen Gemach, wenn möglich auf ein und demselben Lager, zusammenschlafen, lasse ich sie morgens und abends beim An- und Auskleiden einander behilflich sein und in der heißen Jahreszeit, die Knaben sowohl wie die Mädchen, tagsüber nichts als eine kurze, mit einem Lederriemen gegürtete Tunika aus weißem Wollstoff tragen. – Mir ist, sie müßten, wenn sie so heranwachsen, später ruhiger sein, als wir es in der Regel sind.
    Melchior
    Das glaube ich entschieden, Moritz! – Die Frage ist nur, wenn die Mädchen Kinder bekommen, was dann?
    Moritz
    Wieso Kinder bekommen?
    Melchior
    Ich glaube in dieser Hinsicht nämlich an einen gewissen Instinkt. Ich glaube, wenn man einen Kater zum Beispiel mit einer Katze von Jugend auf zusammensperrt und beide von jedem Verkehr mit der Außenwelt fernhält, d. h. sie ganz nur ihren eigenen Trieben überläßt – daß die Katze früher oder später doch einmal trächtig wird, obgleich sie sowohl wie der Kater niemand hatten, dessen Beispiel ihnen hätte die Augen öffnen können.
    Moritz
    Bei Tieren muß sich das ja schließlich von selbst ergeben.
    Melchior
    Bei Menschen glaube ich erst recht! Ich bitte dich, Moritz, wenn deine Knaben mit den Mädchen auf ein und demselben Lager schlafen und es kommen ihnen nun unversehens die ersten männlichen Regungen – ich möchte mit jedermann eine Wette eingehen…
    Moritz
    Darin magst du recht haben. – Aber immerhin…
    Melchior
    Und bei deinen Mädchen wäre es im entsprechenden Alter vollkommen das nämliche! Nicht, daß das Mädchen gerade… man kann das ja freilich so genau nicht beurteilen… Jedenfalls wäre vorauszusetzen… und die Neugierde würde das ihrige zu tun auch nicht verabsäumen!
    Moritz
    Eine Frage beiläufig –
    Melchior
    Nun?
    Moritz
    Aber du antwortest?
    Melchior
    Natürlich!
    Moritz
    Wahr?!
    Melchior
    Meine Hand darauf. – – Nun, Moritz?
    Moritz
    Hast du den Aufsatz schon??
    Melchior
    So sprich doch frisch von der Leber weg! – Hier hört und sieht uns ja niemand.
    Moritz
    Selbstverständlich müßten meine Kinder nämlich tagsüber arbeiten, in Hof und Garten, oder sich durch Spiele zerstreuen, die mit körperlicher Anstrengung verbunden sind. Sie müßten reiten, turnen, klettern und vor allen Dingen nachts nicht so weich schlafen wie wir. Wir sind schrecklich verweichlicht. – Ich glaube, man träumt gar nicht, wenn man hart schläft.
    Melchior
    Ich schlafe von jetzt bis nach der Weinlese überhaupt nur in meiner Hängematte. Ich habe mein Bett hinter den Ofen gestellt. Es ist zum Zusammenklappen. – Vergangenen Winter träumte mir einmal, ich hätte unsern Lolo so lange gepeitscht, bis er kein Glied mehr rührte. Das war das Grauenhafteste, was ich je geträumt habe. – Was siehst du mich so sonderbar an?
    Moritz
    Hast du sie schon empfunden?
    Melchior
    Was?
    Moritz
    Wie sagtest du?
    Melchior
    Männliche Regungen?
    Moritz
    M-hm.
    Melchior
    – Allerdings!
    Moritz
    Ich auch – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    Melchior
    Ich kenne das nämlich schon lange! – Schon bald ein Jahr.
    Moritz
    Ich war wie vom Blitz gerührt.
    Melchior
    Du hattest geträumt?
    Moritz
    Aber nur ganz kurz… von Beinen im himmelblauen Trikot, die über das Katheder steigen – um aufrichtig zu sein, ich dachte, sie wollten hinüber. – Ich habe sie nur flüchtig gesehen.
    Melchior
    Georg Zirschnitz träumte von seiner Mutter.
    Moritz
    Hat er dir das erzählt?
    Melchior
    Draußen am Galgensteg!
    Moritz
    Wenn du wüßtest, was ich ausgestanden seit jener Nacht!
    Melchior
    Gewissensbisse?
    Moritz
    Gewissensbisse?? – – –

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