Drei Generationen auf dem Jakobsweg: ... und meine Erfahrung mit Gott! (German Edition)
erkennen waren. Welcher Pilger kam schon ohne Rucksack, dafür mit einem kleinen Mädchen auf sie zu? Unsere Pilgerausweise hingegen sprachen eine andere Sprache.
Der Eingang der Herberge war einigermaßen freundlich gestaltet, trotzdem war die Luft von diversen Gerüchen und Schweiß durchtränkt. Der Raum war ausgestattet mit einer relativ großen und modernen Glastheke, ein paar Stühlen, einem Prospekthalter, ein paar Ständern mit Reiseandenken etc. Hier sollen wir also unseren ersten Pilgerstempel in unsere neuen, noch blütenweißen Pilgerausweise erhalten. Tatsächlich, die junge Dame stempelte und komisch, wir freuten uns wie kleine Kinder und siehe da, noch bevor wir uns bedanken konnten, sagte unsere kleine Franziska mit ihrer kindlichen Stimme: »Gracias Senora!« Nicht nur die junge Dame sah uns erstaunt an, nein, auch wir waren überrascht. Sprach doch unser Kind bereits am ersten Tag »perfekt« spanisch.
Danach wollte sie uns Betten zuteilen, was normalerweise um diese Uhrzeit nicht möglich ist, aber ich dachte für mich, vielleicht ist das ein kleiner Kinderbonus, den sie uns zukommen lassen wollte. Nachdem wir aber dankend ablehnten, sah sie uns etwas verwundert, aber weit nicht mehr so freundlich an. Ich wusste genau, was sie dachte. Kurzerhand wurden wir aus der Herberge geschoben und diese hinter uns gleich abgesperrt. Das ist allerdings so üblich, dass Herbergen abends für die ankommenden Pilger öffnen und morgens, nachdem der letzte Pilger gegangen ist, wieder schließen. Über einen Durchgang gelangten wir zur Stiftskirche, Colegiata de Santa Maria, mit angegliedertem Kreuzgang. Wir waren beeindruckt. Den Hauptaltar schmückte eine mit Silber und Gold verzierte Marienfigur. So ließen wir uns für kurze Zeit, um ein kleines Gebet zu sprechen, in den Bänken nieder, zündeten anschließend noch für unsere daheimgebliebenen Familienmitglieder, Freunde und Bekannten eine Kerze an und verließen diesen schönen Ort, um weitere Erkundungen anzustellen. Andere Pilger, die wir trafen, Fußpilger, aber auch Fahrradfahrer, sahen uns ungläubig an. Auf Nachfragen ihrerseits, ob wir denn wirklich mit Kind den Weg antreten wollten, was wir natürlich bejahten, kamen verschiedenste Reaktionen. Die meisten aber dachten, so glaube ich jedenfalls, die sind ja verrückt. Alle wünschten uns ein gutes Gelingen, viel Glück, aber auch Gottes Segen. Ich denke, die wenigsten von ihnen dachten, dass wir den Weg zu Fuß bis Santiago de Compostela schaffen würden.
Plötzlich rief uns die nette Rezeptionistin unseres Hotels an. Sie teilte uns mit, dass unsere »Kinderkutsche«, zumindest ein großes und ausladendes Paket für uns angekommen sei. Wir waren überglücklich und machten uns gleich daran, diese auszupacken und zusammenzubauen. Die Reifen mussten mit Luft gefüllt werden. Larissa zauberte eine Luftpumpe aus dem Rucksack und los ging es. Fertig war die Kinderkutsche. Franziska war auch glücklich, endlich konnte sie wieder komfortabel Platz nehmen und musste nicht alles zu Fuß gehen. Nun konnten auch wir den Rest des Tages etwas befreiter genießen, denn schließlich wussten wir jetzt, dass wir morgen in aller Früh wirklich unseren Weg antreten konnten.
Mit Franziska in der Kinderkutsche erkundeten wir die nähere Umgebung von Roncesvalles. Wir schoben Franzi auf einem Feldweg eine Anhöhe hoch, als uns Peter, der hinter uns ging, mit schnellen Schritten einholte. In der Hand hielt er ein vierblätteriges Kleeblatt, welches er soeben am Wegesrand gefunden hatte. Er meinte, jetzt könne nichts mehr schief gehen, das Glück sei mit uns, und legte das Kleeblatt zwischen die Seiten unseres Reiseführers. Dass aber das Gelingen unseres Pilgerweges nicht von einem profanen Kleeblatt abhängen sollte, sondern von unserem Herrgott, erfuhren wir etwa 500 Kilometer später. Dieser Erkenntnis aber möchte ich jetzt nicht vorgreifen, sondern zum besagten Zeitpunkt berichten.
Am Abend, als Larissa und Franziska bereits im Bett lagen, standen mein Mann und ich vor unserem Hotel und schauten über die Landschaft von Roncesvalles, wo sich langsam der Nebel über Berg und Wald verdichtete und nur noch einige dunkle Tannenspitzen in den Nebelschwaden zu erkennen waren. Es war sehr kühl, sodass sich die Nässe des Nebels auf unserer Haut ablegte. Am Blick meines Mannes konnte ich erkennen, dass er gedanklich weit weg, oder besser gesagt gerade wieder auf Zeitreise war. Auf meine Frage, was er sehe, gab er an,
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