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Drei Meister. Balzac – Dickens – Dostojewski

Drei Meister. Balzac – Dickens – Dostojewski

Titel: Drei Meister. Balzac – Dickens – Dostojewski Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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uns Europäern wie verlorenen Heiden kündet. Ein böser, fanatischer, mittelalterlicher Mönch, das byzantinische Kreuz wie eine Geißel in der Hand, so steht der Politiker, der religiöse Fanatiker uns gegenüber. Wie ein Delirant, ein Heimgesuchter in mystischen Krämpfen, nicht in sanfter Predigt kündet er seine Lehre, in dämonischenZornausbrüchen entlädt sich seine maßlose Leidenschaft. Mit Keulen schlägt er jeden Einwand nieder, ein Fiebernder, gegürtet mit Hochmut, funkelnd von Haß, stürmt er die Tribüne der Zeit. Schaum steht vor seinem Munde, und mit zitternden Händen schleudert er den Exorzismus über unsere Welt.
    Ein Bilderstürmer, ein rasender Ikonokiast, fällt er her über die Heiligtümer der europäischen Kultur. Alles stampft er nieder, der große Tobsüchtige, von unseren Idealen, um seinem neuen, dem russischen Christus den Weg zu bereiten. Bis zum Irrwitz schäumt seine moskowitische Unduldsamkeit. Europa, was ist es? Ein Kirchhof, mit teuern Gräbern vielleicht, aber jetzt stinkend von Fäulnis, nicht einmal Dünger mehr für die neue Saat. Die blüht einzig aus russischer Erde. Die Franzosen – eitle Laffen, die Deutschen – ein niedriges Wurstmachervolk, die Engländer – Krämer der Vernünftelei, die Juden – stinkender Hochmut. Der Katholizismus – eine Teufelslehre, eine Verhöhnung Christi, der Protestantismus – ein vernünftlerischer Staatsglaube, alles Hohnbilder des einzig wahren Gottesglaubens: der russischen Kirche. Der Papst – der Satan in der Tiara, unsere Städte – Babylon, die große Hure der Apokalypse, unsere Wissenschaft – ein eitles Blendwerk, Demokratie – die dünne Brühe weicher Gehirne, Revolution – ein loses Bubenstück von Narren und Genarrten, Pazifismus – ein Altweibergeschwätz. Alle Ideen Europas ein verblühter, verwelkter Blumenstrauß, gut genug, in die Jauche geschmissen zu werden. Nur die russische Idee ist die einzig wahre, einzig große, einzig richtige. Im Amoklauf stürmt der rasende Übertreiber weiter, jeden Einwand mit dem Dolche niederstoßend: »Wir verstehen euch, aber ihr versteht nicht uns« – schon bricht jede Diskussion blutend zusammen. »Wir Russen sind die Allverstehenden, ihr seid die Begrenzten«, dekretiert er. Rußland allein ist richtig und alles in Rußland, der Zar und die Knute, der Pope und der Bauer, die Troika und die Ikone, und um so richtiger, je mehr es antieuropäisch, asiatisch, mongolisch, tatarisch, um so richtiger, als es konservativ, rückständig, unfortschrittlich, ungeistig, byzantinisch ist. O wie tobt er sich hier aus, der große Übertreiber! »Seienwir Asiaten, seien wir Sarmaten«, jauchzt er auf. »Weg von Petersburg, dem europäischen, zurück zu Moskau, hinüber nach Sibirien, das neue Rußland ist das Dritte Reich.« Diskussion darüber duldet dieser gotttrunkene mittelalterliche Mönch nicht. Nieder die Vernunft! Rußland ist das Dogma, das widerspruchslos zu bekennen ist. »Man versteht Rußland nicht mit der Vernunft, sondern mit dem Glauben.« Wer ihm nicht in die Knie stürzt, ist der Feind, der Antichrist: Kreuzzug wider ihn! Hell schmettert er in die Fanfare des Krieges. Zerstampft muß Österreich werden, der Halbmond von der Hagia Sofia Konstantinopels gerissen, Deutschland gedemütigt, England besiegt – ein wahnwitziger Imperialismus hüllt seinen Hochmut in mönchische Kutte und ruft: »Dieu le veut.« Um des Gottesreiches willen die ganze Welt für Rußland.
    Rußland also ist Christus, der neue Erlöser, und wir sind die Heiden. Nichts errettet uns Verworfene aus dem Fegefeuer unserer Schuld: wir haben die Erbsünde begangen, keine Russen zu sein. Unserer Welt ist kein Raum in diesem neuen Dritten Reich: erst muß unsere europäische Welt untergehen im russischen Weltreiche, im neuen Gottesreiche, dann erst kann sie erlöst werden. Wörtlich sagt er: »Jeder Mensch muß vorerst Russe werden.« Dann erst beginnt die neue Welt. Rußland ist das Gottträgervolk: erst muß es noch mit dem Schwerte die Erde erobern, dann erst wird es sein »letztes Wort« der Menschheit sagen. Und dieses letzte Wort heißt für Dostojewski: Versöhnung. Für ihn besteht das russische Genie in der Fähigkeit, alles zu verstehen, alle Gegensätze zu lösen. Der Russe ist der Allversteher und darum der Nachgiebige im höchsten Sinn. Und sein Staat, der Zukunftsstaat, wird die Kirche sein, die Form der brüderlichen Gemeinschaft, der Durchdringung statt der Unterordnung. Und es klingt wie

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