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Drei Meister. Balzac – Dickens – Dostojewski

Drei Meister. Balzac – Dickens – Dostojewski

Titel: Drei Meister. Balzac – Dickens – Dostojewski Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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schlägt, um die Idee zu erlösen. »Möge ich selbst untergehen, wenn nur die andern glücklich sind« – das Wort seines Staretz verwandelt er in Geist. Er vernichtet sich, um in dem zukünftigen Menschen aufzuerstehen.
    Das Ideal Dostojewskis ist darum: zu sein, wie er nicht ist. Zu fühlen, wie er nicht fühlt. Zu denken, wie er nicht denkt. Zu leben, wie er nicht lebt. Bis in das Kleinste, Zugum Zug, ist der neue Mensch seiner individuellen Form entgegengesetzt, aus jedem Schatten seines eigenen Wesens ein Licht gebildet, aus jedem Dunkel ein Glanz. Aus dem Nein zu sich selbst schafft er das Ja, das leidenschaftliche zur neuen Menschheit. Bis ins Körperliche hinein setzt sich diese beispiellose moralische Verurteilung seines Selbst zugunsten des zukünftigen Wesens fort, die Vernichtung des Ichmenschen um des Allmenschen willen. Man nehme sein Bild, seine Photographie, seine Totenmaske und lege sie neben die Bilder jener Menschen, in denen er sein Ideal geformt: neben Aljoscha Karamasow, neben den Staretz Sossima, den Fürsten Myschkin, diese drei Skizzen zum russischen Christus, zum Heiland, die er entworfen. Und bis ins Kleinste wird hier jede Linie Gegensatz sagen und Kontrast zu ihm selbst. Dostojewskis Gesicht ist düster, erfüllt von Geheimnissen und Dunkelheit, jener Antlitz ist heiter und von friedlicher Offenheit, seine Stimme heiser und abrupt, die jener Menschen sanft und leise. Sein Haar ist wirr und dunkel, seine Augen tief und unruhig – jener Antlitz ist hell und umrahmt von sanften Strähnen, ihr Auge glänzt ohne Unruhe und Angst. Ausdrücklich sagt er von ihnen, daß sie geradeaus schauen und ihr Blick das süße Lächeln von Kindern hat. Seine Lippen sind schmal umkräuselt von den raschen Falten des Hohnes und der Leidenschaft, sie verstehen nicht zu lachen – Aljoscha, Sossima haben das freie Lächeln des selbstsicheren Menschen über den weißen Zähnen blinken. Zug um Zug setzt er so sein eignes Bild als Negativ gegen die neue Form. Sein Antlitz ist das eines gebundenen Menschen, des Knechtes aller Leidenschaften, bebürdet von Gedanken – das ihre drückt die innere Freiheit aus, die Hemmungslosigkeit, die Schwebe. Er ist Zerrissenheit, Dualismus, sie die Harmonie, die Einheit. Er der Ichmensch, der in sich Eingekerkerte, sie der Allmensch, der von allen Enden seines Wesens in Gott überströmt.
    Diese Schaffung eines moralischen Ideals aus Selbstvernichtung – nie war sie vollkommener in allen Sphären des Geistigen und des Sittlichen. Aus Selbstverurteilung, gleichsam, indem er sich die Adern seines Wesens aufschneidet, mit dem eigenen Blute malt er das Bild des zukünftigenMenschen. Er war noch der Leidenschaftliche, der Krampfige, der Mensch der kurzen tigerhaften Ansprünge, seine Begeisterung eine aus der Explosion der Sinne oder der Nerven aufschießende Stichflamme – jene sind die sanft, aber stetig bewegte, keusche Glut. Sie haben die stille Beharrlichkeit, die weiter reicht als die wilden Sprünge der Ekstase, sie haben die echte Demut, die nicht die Lächerlichkeit fürchtet, sie sind nicht wie die ewig Erniedrigten und Beleidigten, die Gehemmten und Verkrümmten. Mit jedem können sie sprechen, und jeder fühlt Beruhigung an ihrer Gegenwart – sie haben nicht die ewige Hysterie der Angst, zu kränken oder gekränkt zu werden, sie blicken nicht bei jedem Schritt fragend um sich. Gott quält sie nicht mehr, er befriedet sie. Sie wissen um alles, aber eben weil sie alles wissen, verstehen sie auch alles, sie richten nicht und sie verurteilen nicht, sie grübeln nicht nach Dingen, sondern glauben sie dankbar. Seltsam: er, der ewig Beunruhigte, sieht in dem gelassenen, geklärten Menschen die höchste Form des Lebens, der Zwiespältige postuliert als letztes Ideal die Einheit, der Empörer die Unterwerfung. Seine Gottesqual ist in ihnen Gotteslust geworden, seine Zweifel Gewißheit, seine Hysterie Gesundung, sein Leid ein allumfassendes Glück. Das Letzte und Schönste der Existenz ist für ihn, was er selbst, der Bewußte und Überbewußte, nie gekannt und was er darum für den Menschen als das Erhabenste ersehnt: Naivität, Kindlichkeit des Herzens, die sanfte, die selbstverständliche Heiterkeit.
    Sehet seine liebsten Menschen, wie sie schreiten: ein sanftes Lächeln ist auf ihren Lippen, um alles wissen sie und haben doch keinen Stolz, sie leben im Geheimnis des Lebens nicht wie in einer feurigen Schlucht, sondern schlagen es blau wie einen Himmel um sich. Sie haben

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