Drei Minuten mit der Wirklichkeit
seine Schritte, wenn er sich bewegte. Aber er trat kein einziges Mal vor mich hin.
F: Wie stand es mit der Beleuchtung?
A: Die Deckenbeleuchtung schaltete er aus. Soweit ich das erkennen konnte, brannte lediglich die kleine Nachttischlampe neben der Schlafcouch.
F: Haben Sie keine Befreiungsversuche unternommen?
A: Die erste Stunde bewegte ich mich überhaupt nicht. Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, wie das ist, von einem wildfremden Menschen grundlos überwältigt und gefesselt zu werden. Ich bin kein ängstlicher Typ, aber man denkt dabei automatisch an das Schlimmste.
F: Doch. Ich kann mir das sehr gut vorstellen.
A: Nach einer Weile, ich weiß wirklich nicht, wie lange, begannen meine Gelenke zu schmerzen, und ich versuchte, meine Position zu verändern. Dabei machte ich natürlich Geräusche durch das verrutschende Klebeband. Herr Alsina reagierte nicht.
F: Sie saßen drei Stunden gemeinsam in diesem Raum, ohne ein Wort zu sprechen?
A: Ja. Ich konnte ja nicht sprechen. Und er sagte nichts.
F: Und dann ging er einfach?
A: Ja. Deshalb glaube ich auch, dass er eine schwerwiegende Bewusstseinsstörung haben muss. Ich bin kein Psychologe, aber wie soll man sich das sonst erklären? Als er verschwunden war, atmete ich zunächst auf, aber nicht sehr lange. Meine Situation war ja unverändert, und er konnte jeden Augenblick zurückkehren, mit einem Benzinkanister oder einem Beil … Ich weiß, das hört sich jetzt verrückt und übertrieben an, aber das sind die Gedanken, die einem in einer solchen Situation durch den Kopf gehen.
F: Nein, Herr Battin, das hört sich überhaupt nicht verrückt an. Deshalb sind wir ja auch so daran interessiert, alle Einzelheiten zu erfahren, und verstehen nicht, warum Sie keine Anzeige erstatten wollen. Möglicherweise ist Herr Alsina wirklich krank, gefährlich krank. Ohne Anzeige können wir überhaupt nichts tun.
A: Sie können auch mit einer Anzeige nichts tun.
F: Das haben wir ja vorhin alles schon besprochen. Sie bleiben also bei Ihrer Weigerung, gegen Herrn Alsina Anzeige zu erstatten?
A: Ja. Das kann ich meiner Tochter nicht antun.
F: Gut. Weitere Ausführungen hierzu sind für das Protokoll unerheblich.
Es wurde eine fünfminütige Pause eingelegt.
Befragung wieder aufgenommen um 16:43
F: Kommen wir noch einmal auf jene Nacht zurück, die Sie gefesselt auf diesem Stuhl verbracht haben. Sie sagten, Herr Alsina sei später noch einmal zurückgekehrt?
A: Ja. Das ist richtig.
F: Wissen Sie in etwa, wie viel Uhr es war?
A: Nein.
F: Die Turmuhr schlug also nicht mehr?
A: Ich war irgendwann eingenickt und schrak hoch, als er die Tür aufschloss. Er kam in meine Nähe, kümmerte sich aber nicht um mich. Er suchte irgendwelche Gegenstände zusammen. Dann wurde es dunkel, und er verschwand.
F: Vorher war das Licht also eingeschaltet gewesen?
A: Ja. Die Lampe neben der Couch brannte wohl, als er das erste Mal wegging.
F: Also, irgendwie ist das alles doch wirklich merkwürdig.
A: Durchaus.
F: Ihre Tochter fand Sie am Mittwochabend?
A: Ja.
F: Ihre Frau gab am Mittwochmorgen eine Vermisstenmeldung auf. Ihre Tochter wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von Ihrem Verschwinden?
A: Nein. Sie war ja in Braunschweig und half ihrer Freundin beim Umzug. Sie hatte ihr Telefon nicht dabei. Meine Frau wusste nicht, wo sie Giulietta erreichen konnte. Als ich die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen war, bekam meine Frau Angst und rief die Polizei an, was ja nur verständlich ist. Wir sind einundzwanzig Jahre verheiratet, da spürt man, wenn etwas nicht stimmt. Ich hätte sie nie eine ganze Nacht lang im Unklaren über meinen Verbleib gelassen.
F: Logisch. Ihre Frau wäre nicht auf den Gedanken gekommen, in Giuliettas Studio nach Ihnen zu suchen?
A: Wahrscheinlich nicht. Irgendwann vielleicht schon. Meine Frau wusste ja nichts von dieser Verabredung. Das war alles ganz spontan geschehen. Giulietta war nicht erreichbar. Daher war meine Frau doppelt beunruhigt und hat die Polizei alarmiert.
F: Giulietta fand Sie also zufällig, als sie in ihr Studio zurückkehrte?
A: Ja.
F: Sie wusste nichts von der Vermisstenanzeige, von der Sorge ihrer Mutter, all das war ihr völlig unbekannt?
A: Ja. Sie kam direkt aus Braunschweig zurück und hoffte wohl, Damián in ihrem Studio anzutreffen.
F: Er hatte einen Schlüssel zur Wohnung Ihrer Tochter?
A: Ja. Offenbar.
F: Ihr Anblick dort in dem Studio muss sie doch gehörig erschreckt haben?
A: Sie sagen
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