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Drei sind einer zuviel

Drei sind einer zuviel

Titel: Drei sind einer zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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schwerzumachen. Am
schlimmsten hatte es der kleine Andi Anders getrieben, der Sohn von Frau Anders
aus dem Kaufhaus, die so besorgt gewesen war, daß er sich als Zugereister nicht
durchsetzen könnte.
    Als Peter in die Straße einbiegen wollte, holte
ihn der Hausmeister ein: »Herr Lehrer!«
    »Schönen Dank, daß Sie mich heute früh gerettet
haben.«
    »Is wichtig, haben noch letzte Zipfel von
Andacht erwischt... Hab ich iebrigens was fir Ihna, Moment.« Gumpizek lief ins
Haus zurück und kam mit der Schultüte wieder.
    »Ach, du Schande«, staunte Peter. »Sagen Sie
bloß, die ist für mich.«
    »Von de Freilein. Zu ersten Schultag.«
    Peter machte hoffnungslose Versuche, die Tüte
vor den Blicken der Schüler zu verbergen, sie grölten vor Vergnügen.
    »So eine Schnapsidee.« Einen Moment lang hatte
er sehr ärgerliche Gedanken für Karlchen.
    »Kopf hoch, Herr Lehrer«, ermutigte ihn Gumpizek
voller Mitgefühl.
    Sieben Minuten dauerte sein Spießrutenlauf mit
der Tüte im Arm durch die Straßen, dann hatte er seine Untermiete erreicht,
ohne Frau Obermayer zu begegnen. Er setzte sich auf sein Bett und zog die Tüte
zwischen die Knie, um ihren Inhalt auszupacken: eine Flasche Obstler, Wurst-
und Käsesemmeln, eine saure Gurke, Gummibärchen und einen handbemalten
Keramikteller aus Montabaur.
    Peter biß in eine Semmel, nachdem er sie
aufgeklappt und nachgeschaut hatte, was drauf war. Er nahm einen Schluck
Obstler und wollte sich gerade auf dem Bett ausstrecken, um sein Dasein zu
überdenken, als es an der Haustür klingelte. »Herr Melchior! Besuch!«
    Über
das Stiegengeländer gebeugt, sah er Karlchen und den blonden Schönling, mit dem
sie gestern davongefahren war, im Hausflur stehen. »Kommt rauf«, forderte Peter
die beiden auf. »Geht nicht.« Karlchen zeigte auf Benedikt. »Er weigert sich,
die Schuhe auszuziehen.«
    Das gefiel Peter nun wieder an dem Typ.
    »Wir
wollen essen gehen. Kommen Sie mit?«
    »Gerne«,
rief er, erfreut, sein Zimmer verlassen zu können.
    »Benedikt Kreuzer«, stellte sich der Blonde vor.
»Karlchen wollte unbedingt, daß wir uns kennenlernen.«
    Peter gab ihm die Hand: »Da kann man nichts
machen. — Übrigens schönen Dank für die Schultüte. Das war vielleicht ein
Einfall.«
    »Fanden Sie nicht gut?« fragte sie.
    »Den Inhalt schon.« Er wandte sich an Benedikt:
»Würden Sie gern als neuer Lehrer mit einer Schultüte durch den Ort
marschieren?«
    Benedikt überlegte kurz: »Ich fürchte, dazu
fehlt mir die innere Größe.«
    »Mir auch.« Peter studierte die außen
angeschlagene Speisekarte. »Ißt man hier gut?«
    »Schmeckt alles wie eingeschlafene Füße und die
Nachspeisen wie toter Friseur, aber die Bedienung ist nett.«
     
    Später, nachdem sie gegessen hatten, lehnte sich
Karlchen zurück und wollte wissen, wie Peters erster Schultag verlaufen war.
    »Nicht doll, möchte sagen — deprimierend. Steht
man da wie ein Depp und weiß nicht, wie man auf die provozierenden Kraftakte
der Kinder reagieren soll: Was erwarten sie von einem? Wie kommt man am besten
an sie heran? Da merkt man erst mal, daß man null Ahnung von Pädagogik hat.«
    »Lernen Sie das nicht auf der PH?« fragte
Benedikt.
    »Jede Menge Theorie haben wir gelernt, bloß
nicht, wie die Praxis aussieht. Das wissen die Dozenten wahrscheinlich selber
nicht. — Prost!« Benedikt überlegte, den Bierschaum vom Mund wischend: »Ich
stell mir vor, ich habe eben mein Examen gemacht und werde auf dreißig Kinder
losgelassen.«
    »Fünfunddreißig«, korrigierte Peter. »Und die
probieren erst mal aus, wie weit sie mit dem Neuen gehen können. Da gibt es so
Momente, wo ’ne weniger robuste Frohnatur als ich das Handtuch wirft und die
Kurve kratzt.«
    »Einen Arzt, der gerade fertig geworden ist,
läßt man ja auch nicht gleich an einen komplizierten Blinddarm ran«, sagte
Benedikt.
    »Fünfunddreißig Blinddärmer«, erinnerte Karlchen
und schaute auf die Uhr. »Ich muß leider weiter.« Sie wollte ihre
Schlachteplatte bezahlen, aber das erlaubten ihre männlichen
Zufallsbekanntschaften nicht.
    Beide brachten Karlchen zum Auto.
    »Schönen Dank noch mal — auch für die verdammte
Tüte«, sagte Peter, und Benedikt wünschte ihr toi, toi, toi für ihre
Bayerntournee. Karlchen fiel es richtig schwer, von ihnen fortzufahren.
»Vielleicht überlegen Sie sich mal, ob Sie nicht doch zusammenziehen.«
    »Okay, machen wir«, versprachen sie ohne
Überzeugung.
    Es entstand eine Pause.
    Weil keiner auf die Idee kam, sie

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