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Drucke Zu Lebzeiten

Drucke Zu Lebzeiten

Titel: Drucke Zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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sagte der mit Jakob Angesprochene und trat zuerst fast ungläubig lächelnd zurück. Auch der Kapi- tän, der Oberkassier, der Schiffsoffzier, ja sogar der Diener zeigten deutlich ein übermäßiges Erstaunen we- gen Karls Namen. Nur die Herren von der Hafenbehör- de und Schubal verhielten sich gleichgültig.
      „Aber", wiederholte Herr Jakob und trat mit etwas steifen Schritten auf Karl zu, „dann bin ich ja dein Onkel Jakob und du bist mein lieber Neffe. Ahnte ich es doch die ganze Zeit über!" sagte er zum Kapitän hin, ehe er Karl umarmte und küßte, der alles stumm geschehen ließ.
      „Wie heißen Sie?" fragte Karl, nachdem er sich losge- lassen fühlte, zwar sehr höflich, aber gänzlich ungerührt, und strengte sich an, die Folgen abzusehen, welche die- ses neue Ereignis für den Heizer haben dürfte. Vorläufig deutete nichts darauf hin, daß Schubal aus dieser Sache Nutzen ziehen könnte.
      „Begreifen Sie doch, junger Mann, Ihr Glück", sagte der Kapitän, der durch Karls Frage die Würde der Per- son des Herrn Jakob verletzt glaubte, der sich zum Fen- ster gestellt hatte, offenbar, um sein aufgeregtes Gesicht, das er überdies mit einem Taschentuch betupfte, den andern nicht zeigen zu müssen. „Es ist der Senator Ed- ward Jakob, der sich Ihnen als Ihr Onkel zu erkennen gegeben hat. Es erwartet Sie nunmehr, doch wohl ganz gegen Ihre bisherigen Erwartungen, eine glänzende Laufbahn. Versuchen Sie das einzusehen, so gut es im ersten Augenblick geht, und fassen Sie sich!"
      „Ich habe allerdings einen Onkel Jakob in Amerika", sagte Karl zum Kapitän gewendet, „aber wenn ich recht verstanden habe, ist Jakob bloß der Zuname des Herrn Senators."
      „So ist es", sagte der Kapitän erwartungsvoll.
      „Nun, mein Onkel Jakob, welcher der Bruder mei- ner Mutter ist, heißt aber mit dem Taufnamen Jakob, während sein Zuname natürlich gleich jenem meiner Mutter lauten müßte, welche eine geborene Bendel- mayer ist."
      „Meine Herren!" rief der Senator, der von seinem Er- holungsposten beim Fenster munter zurückkehrte, mit Bezug auf Karls Erklärung aus. Alle, mit Ausnahme der Hafenbeamten, brachen in Lachen aus, manche wie in Rührung, manche undurchdringlich.
      „So lächerlich war das, was ich gesagt habe, doch kei- neswegs", dachte Karl.
      „Meine Herren", wiederholte der Senator, „Sie neh- men gegen meinen und gegen Ihren Willen an einer klei- nen Familienszene teil, und ich kann deshalb nicht um- hin, Ihnen eine Erläuterung zu geben, da, wie ich glaube, nur der Herr Kapitän" – diese Erwähnung hatte eine gegenseitige Verbeugung zur Folge – „vollständig unter- richtet ist."
      „Jetzt muß ich aber wirklich auf jedes Wort achtge- ben", sagte sich Karl und freute sich, als er bei einem Seitwärtsschauen bemerkte, daß in die Figur des Heizers das Leben zurückzukehren begann.
       „Ich lebe seit allen den langen Jahren meines amerika- nischen Aufenthaltes – das Wort Aufenthalt paßt hier allerdings schlecht für den amerikanischen Bürger, der ich mit ganzer Seele bin – seit allen den langen Jahren lebe ich also von meinen europäischen Verwandten voll- ständig getrennt, aus Gründen, die erstens nicht hierher gehören, und die zweitens zu erzählen mich wirklich zu sehr hernehmen würde. Ich fürchte mich sogar vor dem Augenblick, wo ich vielleicht gezwungen sein werde, sie meinem lieben Neffen zu erzählen, wobei sich leider ein offenes Wort über seine Eltern und ihren Anhang nicht vermeiden lassen wird."
       „Es ist mein Onkel, kein Zweifel", sagte sich Karl und lauschte, „wahrscheinlich hat er seinen Namen ändern lassen."
       „Mein lieber Neffe ist nun von seinen Eltern – sagen wir nur das Wort, das die Sache auch wirklich bezeich- net – einfach beiseitegeschafft worden, wie man eine Katze vor die Tür wirft, wenn sie ärgert. Ich will durch- aus nicht beschönigen, was mein Neffe gemacht hat, daß er so gestraft wurde, aber sein Verschulden ist ein sol- ches, daß sein einfaches Nennen schon genug Entschul- digung enthält."
       „Das läßt sich hören", dachte Karl, „aber ich will nicht, daß er es allen erzählt. Übrigens kann er es ja auch nicht wissen. Woher denn?"
       „Er wurde nämlich", fuhr der Onkel fort und stützte sich mit kleinen Neigungen auf das vor ihm eingestemm- te Bambusstöckchen, wodurch es ihm tatsächlich gelang, der Sache die unnötige Feierlichkeit zu nehmen, die sie sonst unbedingt

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