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Drucke Zu Lebzeiten

Drucke Zu Lebzeiten

Titel: Drucke Zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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den Fensterlöchern. „Weißt du", höre ich, mir ins Ohr gesagt, „mein Vertrauen zu dir ist sehr gering. Du bist ja auch nur irgendwo abgeschüttelt, kommst nicht auf eigenen Füßen. Statt zu helfen, engst du mir mein Sterbebett ein. Am liebsten kratzte ich dir die Augen aus." „Richtig", sage ich, „es ist eine Schmach. Nun bin ich aber Arzt. Was soll ich tun? Glau- be mir, es wird auch mir nicht leicht." „Mit dieser Ent- schuldigung soll ich mich begnügen? Ach, ich muß wohl. Immer muß ich mich begnügen. Mit einer schönen Wunde kam ich auf die Welt; das war meine ganze Aus- stattung." „Junger Freund", sage ich, „dein Fehler ist: du hast keinen Überblick. Ich, der ich schon in allen Krankenstuben, weit und breit, gewesen bin, sage dir: deine Wunde ist so übel nicht. Im spitzen Winkel mit zwei Hieben der Hacke geschaffen. Viele bieten ihre Seite an und hören kaum die Hacke im Forst, geschwei- ge denn, daß sie ihnen näher kommt." „Ist es wirklich so oder täuschest du mich im Fieber?" „Es ist wirklich so, nimm das Ehrenwort eines Amtsarztes mit hinüber." Und er nahm's und wurde still. Aber jetzt war es Zeit, an meine Rettung zu denken. Noch standen treu die Pferde an ihren Plätzen. Kleider, Pelz und Tasche waren schnell zusammengerafft; mit dem Ankleiden wollte ich mich nicht aufhalten; beeilten sich die Pferde wie auf der Herfahrt, sprang ich ja gewissermaßen aus diesem Bett in meines. Gehorsam zog sich ein Pferd vom Fenster zurück; ich warf den Ballen in den Wagen; der Pelz flog zu weit, nur mit einem Ärmel hielt er sich an einem Haken fest. Gut genug. Ich schwang mich aufs Pferd. Die Riemen lose schleifend, ein Pferd kaum mit dem andern verbunden, der Wagen irrend hinterher, der Pelz als letzter im Schnee. „Munter!" sagte ich, aber munter ging's nicht; langsam wie alte Männer zogen wir durch die Schneewüste; lange klang hinter uns der neue, aber irrtümliche Gesang der Kinder:
    „Freuet Euch, Ihr Patienten,
    Der Arzt ist Euch ins Bett gelegt!"
      Niemals komme ich so nach Hause; meine blühende Praxis ist verloren; ein Nachfolger bestiehlt mich, aber ohne Nutzen, denn er kann mich nicht ersetzen; in mei- nem Hause wütet der ekle Pferdeknecht; Rosa ist sein Opfer; ich will es nicht ausdenken. Nackt, dem Froste dieses unglückseligsten Zeitalters ausgesetzt, mit irdi- schem Wagen, unirdischen Pferden, treibe ich mich alter Mann umher. Mein Pelz hängt hinten am Wagen, ich kann ihn aber nicht erreichen, und keiner aus dem be- weglichen Gesindel der Patienten rührt den Finger. Be- trogen! Betrogen! Einmal dem Fehlläuten der Nacht- glocke gefolgt – es ist niemals gutzumachen.

    Auf der Galerie

    Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreite- rin in der Manege auf schwankendem Pferd vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die im- merfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fort- setzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellen- den Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampf- hämmer sind – vielleicht eilte dann ein junger Galeriebe- sucher die lange Treppe durch alle Ränge hinab, stürzte in die Manege, riefe das: Halt! durch die Fanfaren des immer sich anpassenden Orchesters.
       Da es aber nicht so ist; eine schöne Dame, weiß und rot, hereinfliegt, zwischen den Vorhängen, welche die stolzen Livrierten vor ihr öffnen; der Direktor, hinge- bungsvoll ihre Augen suchend, in Tierhaltung ihr entge- genatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt, als wäre sie seine über alles geliebte Enkelin, die sich auf gefährliche Fahrt begibt; sich nicht entschließen kann, das Peitschenzeichen zu geben; schließlich in Selbst- überwindung es knallend gibt; neben dem Pferde mit
offenem Munde einherläuft; die Sprünge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum be- greifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen ver- sucht; die reifenhaltenden Reitknechte wütend zu pein- lichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem großen Salto- mortale das Orchester mit aufgehobenen Händen be- schwört, es möge schweigen; schließlich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küßt und keine Huldigung des Publikums für genügend erachtet; wäh- rend sie selbst,

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