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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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    Mit der Dämmerung zogen Wolken auf. Sie schluckten das letzte Licht am Himmel, und es wurde dunkel über dem Alexanderplatz. Ein kalter Märzwind suchte sich seinen Weg zwischen den Pendlern, die mit eingezogenen Schultern über den Platz liefen. Sie strömten aus dem Aufgang der U-Bahn und hasteten mit abgewandten Blicken davon.
    Ein ideales Versteck, dachte der Mann, der aus dem Schatten einer Hauswand trat. Er hatte das Gefühl, als sei er unsichtbar. Wer würde schon auf die Idee kommen, daß er nicht eine dieser Ameisen war? Es war perfekt. Ein vertrautes Hochgefühl breitete sich aus.
    Doch er wollte es hüten, sein Geheimnis. Er wollte es auskosten, dieses süße Gefühl, in einer anderen Welt zu sein als die Menschen um ihn herum. Sie hielten ihn weiterhin für den Verlierer, nach dem sie ungestraft treten konnten. Er allein wußte, was in dieser Nacht geschehen würde. Nur er kannte den Entschluß, den er gefaßt hatte.
    Auf der anderen Seite des Platzes leuchteten die vertrauten Werbetafeln des Schnellrestaurants. Hinter den hohen Fenstern, unter grellen Neonlampen herrschte reges Treiben. Die Verkäuferinnen hinter der Theke bewegten sich schnell und konzentriert. Sie packten Burger und Pommes in Papiertüten, nahmen Geld entgegen und ließen die Kasse aufspringen.
    Für den Blick eines Fremden waren sie austauschbar in ihrer strengen Uniform, mit ihren Krawatten und den Kappen über der Stirn. Aber nicht für ihn. Er erkannte das Mädchen selbst aus dieser Entfernung. Ihre Bewegungen waren ihm vertraut, ihr Lächeln, ihre gesamte Erscheinung.
    Er beobachtete sie eine Weile bei der Arbeit, dann trat er zurück in die Dunkelheit. Sein Entschluß stand fest. Die Zeit der Demütigung war vorbei. Sie sollte es bitter bereuen, über ihn gelacht zu haben. Er hatte lange genug eingesteckt, und nun würde er austeilen.
    Sekunden später hatte ihn die Menge umschlossen.
    Es war in dieser Nacht ungewöhnlich ruhig im Polizeiabschnitt 32, der sich seit der Reform der Polizeidezernate vom Brandenburger Tor bis zum Alexanderplatz hinzog und einen großen Teil der neuen Mitte abdeckte. Die Straßen waren wie ausgestorben, und es gab weder Taschendiebstähle oder Schlägereien noch Betrunkene, die randalierten. Nicht einmal wegen einer Lärmbelästigung hatte die Funkzentrale des Abschnitts in dieser Nacht einen Wagen ausrükken lassen.
    Polizeimeisterin Anna Proschinski wollte die Ruhe nutzen, um Berichte zu schreiben. Es war ihr ganz recht, ein paar Stunden allein zu sein und sich so auf ihre Art von dem Trubel der vergangenen Tage zu erholen. Doch schon bald wurde sie von den fröhlichen Rufen ihrer Kollegen aus dem Bereitschaftsraum unterbrochen. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung auf der Wache, der auch sie sich nicht entziehen konnte. Die Woche war für alle grauenhaft gewesen. Die Einsätze hatten sich überschlagen, sie hatten zahllose Überstunden gemacht, und die liegengebliebenen Berichte türmten sich in den Fächern. Anna wußte genau: Dieser ruhige Dienst war überfällig, nun konnten alle etwas Dampf ablassen.
    Sie ging hinüber zu den anderen. Einer von ihnen hatte gerade eine Runde Currywurst mitgebracht, und die Kollegen stürzten sich wie die Geier darüber. Anna hielt sich zurück, sie hatte keinen Hunger. Grinsend überhörte sie die Witze und Kommentare ihrer übermütigen Kollegen und goß sich einen Kaffee ein. Sie würde sich eine Weile dazusetzen, danach konnte sie sich immer noch ihren Berichten widmen.
    Draußen vor dem Fenster bemerkte sie eine Gestalt, die sich auf die Polizeiwache zubewegte. Es war eine ältere Frau. Tränen liefen ihr über das Gesicht, und sie drückte den Kragen ihrer Windjacke fest gegen das Kinn.
    »Kundschaft!« rief der Dienststellenleiter aus dem Büro nebenan. »Komm mal einer nach vorne!«
    Paul, der Beamte im Innendienst, erstarrte augenblicklich über seiner dampfenden Currywurst. Er blickte abwechselnd zur Tür des Bereitschaftsraums und dann wieder auf die Pappschale. In seinem Gesicht machte sich ein unglücklicher Zug breit.
    Anna seufzte und gab sich geschlagen. »Laß mal, Paul! Ich mach das schon. Einen Kaffee kann ich auch später trinken.«
    Die ältere Frau stand im Wachlokal und sah sich um. Mit einer Hand wischte sie die letzten Tränen weg und lächelte Anna unsicher an.
    »Guten Abend«, sagte Anna freundlich. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie schüchtern. »Sie sind Polizistin?«
    Anna nickte lächelnd. Die

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