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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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angemessen hielte. Die sei zwar klein, aber elitär. »Selbstverständlich«, antwortete ich. Für einen politischen Vortrag gab es keine bessere Adresse als die staatliche Diplomatenschule.
    Die Holocaust-Rede in Teheran
    So stand ich am 18. November 2008 in Teheran vor 50 zukünftigen iranischen Botschaftern und Diplomaten. Begleitet wurde ich von der damaligen FAZ -Journalistin Christiane Hoffmann und dem Spiegel -Redakteur Dieter Bednarz. Die einstündige Rede war kritisch gegenüber dem Westen, aber auch gegenüber der iranischen Regierung. Im Nachbargebäude hatte zwei Jahre zuvor die berüchtigte Holocaust-Konferenz stattgefunden. Dort war die Shoah, der Massenmord an den Juden, infrage gestellt worden. Deshalb ging ich auf dieses Thema ausführlich ein.
    Im Vorlesungssaal wird es mucksmäuschenstill. Ich spreche über den »schändlichen Mord an sechs Millionen Mitbürgern, Freunden und Nachbarn«. Darüber, dass niemand das Recht habe, diese geschichtliche Tatsache infrage zu stellen. Weder in Deutschland noch in Iran. Ich frage meine jungen Zuhörer: »Was würden Sie sagen, wenn ein westliches Land eine Konferenz darüber abhalten würde, ob der Tod Hunderttausender Iraner im Krieg mit dem Irak vielleicht doch nur ein Mythos sei? Würden Sie diese Konferenz nicht auch als Schande bezeichnen? Würden Sie nicht auch die Forderung erheben, mit Ihrem Leid nicht zu spielen?«
    Direktheit gilt nicht gerade als diplomatische Tugend. Spiegel -Redakteur Dieter Bednarz registriert »wachsendes Unbehagen« im Saal und fügt auf Spiegel online hinzu: »T. muss aufpassen, dass ihn seine Zuhörer nicht zerfleischen.« Doch die bleiben ganz still. Man hätte eine Stecknadel fallen hören.
    Ich fahre fort: »Es gibt in der Tat jene unnötigen und bösartigen antizionistischen, antiisraelischen Äußerungen Präsident Ahmadinedschads, die im Westen leider auch noch falsch übersetzt wurden. Diese aggressive Position, die aus meiner Sicht reich an politischer Torheit und arm an geschichtlicher Einsicht ist, hat jedoch bei der überwiegenden Mehrheit der Iraner, die ich in diesem wunderbaren Land getroffen habe, keinen Rück halt. Selbst die geistliche Führung Irans hat Präsident Ahmadine dschad mehrfach dafür gerügt.«
    Das konservative iranische Blatt Jomhuri-ye Eslami habe Präsident Ahmadinedschad im Februar 2007 zu Recht vorgeworfen, sein Ton sei so »widerwärtig, dass die internationale Öffentlichkeit völlig unnötig den Eindruck von Feindseligkeit« gewinne. Er solle »endlich mit seiner Phrasendrescherei und seinen Pöbeleien aufhören«.
    Der Leiter der Diplomatenschule wird unruhig. Um wenigstens etwas zu tun, blättert er in Dokumenten, die vor ihm liegen. Muss er nicht einschreiten? Eine derart regierungskritische Rede eines Westlers hatte es an seiner Diplomatenschule noch nie gegeben. Zumindest nicht in den letzten 30 Jahren. Selbst einige Studenten blicken von Zeit zu Zeit verstohlen zu ihren Nachbarn, um zu prüfen, ob sie sich vielleicht im falschen Film befinden. Doch da müssen sie jetzt durch: »100 Prozent Respekt« hatte Ahmadinedschad an der Columbia University westlichen Besuchern iranischer Universitäten versprochen. Mir reichen 90 Prozent, notfalls auch weniger.
    Um es meinen Zuhörern nicht gar zu schwer zu machen, sage ich: »Ich spreche über die westlichen Regierungen genauso offen wie über die iranische Regierung. Ich halte nichts von doppelter Moral. Ich finde, dass Iran eine weltoffenere, tolerantere Regierung verdient hat. Eine Regierung, die die Menschenrechte ohne jede Ausnahme respektiert.«
    Dann plädiere ich für »Sicherheitsgarantien für Israel und sein Existenzrecht, aber auch für den Aufbau eines lebensfähigen palästinensischen Staates«. Im Nuklearstreit mit dem Iran setze ich mich für direkte Verhandlungen der US -Regierung mit der iranischen Führung ein. Und für eine Regionalkonferenz im Stil jener KSZE , die einst mitgeholfen hatte, den Ost-West-Konflikt zu entschärfen.
    Ich schließe mit den Worten: »Ich appelliere an die religiöse Führung Irans mit den Worten aus Schillers Don Karlos : ›Sire, geben Sie Gedankenfreiheit.‹ Geben Sie Ihrem großartigen Land die Freiheit des Denkens und des Glaubens zurück!«
    Dann ist die Rede zu Ende. Es wäre übertrieben, von echtem Beifall zu sprechen. Von den meisten Zuhörern gibt es im Gegenteil recht kritische Anmerkungen. Der Leiter der Diplomatenschule und einige seiner Studenten distanzieren sich zwar

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