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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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Weinend lief sie auf die Straße. Plötzlich stand sie hinter mir. Ich drückte den Kopf Massouds sanft gegen mich. Ich wollte nicht, dass meine Tochter ihn so sieht.
    Auch mein 25-jähriger Sohn kam angerannt. Er war kurz vor meinem Mann aus dem Haus gegangen und nur ein paar Straßen weiter. Er hatte die Explosion gehört und war zurückgeeilt. Als er den zerstörten Wagen sah, hoffte er, es habe nur einen Unfall gegeben. Doch dann sah er den leblosen Körper seines Vaters und dass ein Teil des Kopfes weggerissen war. Schluchzend rief er die Polizei an. Kurz darauf kam ein Krankenwagen. Sie konnten nur noch feststellen, dass die Explosion Massoud sofort getötet hatte.
    Die Bombe war an einem Motorrad befestigt, das neben dem Tor stand. Der Täter hatte sie per Fernbedienung gezündet.«
    Mansoureh schaut hilflos an uns vorbei. Minutenlang sagt niemand ein Wort. Um das schreckliche Schweigen zu brechen, frage ich, wer ihrer Meinung nach hinter der Tat stehe. Mansoureh nennt Großbritannien, die USA und Israel. Der Täter, ein junger iranischer Berufssportler, habe gestanden, dass er von Israel eingewiesen worden sei. Er habe sich in Thailand mit einem Mossad-Agenten getroffen und 40000 Dollar erhalten.
    Ich frage, ob dieses »Mossad-Geständnis« nicht durch Folter erzwungen sein könne. Es passe politisch so perfekt in den Streit zwischen Israel und Iran. Mansoureh schüttelt den Kopf. Das Geständnis des Täters sei präzise. Er habe es im Fernsehen mit großer Ruhe wiederholt. Man habe seine Angaben anhand von Flugbuchungen nachprüfen können. Er habe sich nicht nur einmal, sondern mehrfach mit dem Mossad getroffen. Auch in anderen Ländern.
    Außerdem habe sie im Gefängnis mit ihm gesprochen. Eigentlich habe sie ihn zur Rede stellen wollen. Doch dann habe sie vor einem gebrochenen jungen Mann gestanden. Sie habe seinem Gesicht angesehen, dass ihm die Tat leidtue. Weinend habe er um Verzeihung gebeten. Man habe ihm erzählt, Massoud sei »eine Gefahr für die Menschheit«. Wie der gesamte Iran.
    Wieder herrscht Totenstille. Als wir aufstehen, um uns zu verabschieden, will uns Mansoureh noch etwas sagen. Es scheint ihr wichtig zu sein:
    »Manche Länder glauben, nur sie hätten ein Recht auf Fortschritt und ein glückliches Leben. Aber unsere Menschen haben das gleiche Recht. Während des langen Krieges mit dem Irak fühlten wir uns von vielen Staaten betrogen. Auch vom Westen, der Saddam Hussein unterstützt hat.
    Hunderttausende Iraner starben in diesem Krieg. Als er endlich vorbei war, haben viele junge Iraner beschlossen, ihr Leben der Entwicklung ihres zerstörten Landes zu widmen. Mein Mann war einer dieser jungen Leute. Er wollte, dass es der nächsten Generation Irans besser geht. Doch es gibt Länder, die das nicht wollen.«
    Ich frage sie, ob sie für die iranische Bombe sei. Sie schüttelt den Kopf: »Wir sind ein starkes Land. Wir sind ein entwickeltes Land. Wir brauchen und wollen die Bombe nicht.«
    Hochzeiten in Teheran
    Es gibt auch fröhliche Stunden in der iranischen Hauptstadt. Die Menschen hier lassen sich ihre Lebensfreude von niemandem nehmen. Weder von ihrer sittenstrengen Regierung noch vom Westen. Freunde laden uns zu einer Hochzeit ein. Sie findet spätabends in einer kleinen Tiefgarage im Zentrum Teherans statt. Die Stimmung ist ausgelassen. Die Iranerinnen haben ihre Kopftücher abgenommen. Alle Gäste tanzen zu orientalischer Popmusik. Kleinkinder, Großeltern, junge Frauen, junge Männer.
    Am leidenschaftlichsten tanzt das junge Brautpaar. Es scheint sich blind zu verstehen. »Sie sind blind«, sagt Frédéric kaum hörbar. Trotzdem sind sie offenbar sehr glücklich. Liebevoll führen sie sich gegenseitig durchs Leben. Iraner lassen sich nicht unterkriegen.
    In den frühen Morgenstunden wird die Musik abgestellt. Der Tanzsaal leert sich. Nach einer halben Stunde sieht er wieder aus wie eine ganz normale Garage. Nur das Parfüm der Iranerinnen erinnert noch an das heitere Fest.
    Wir sind nicht zum Hochzeitenfeiern nach Teheran geflogen. Doch am nächsten Tag werden wir erneut zu einer Eheschließung eingeladen. Von Ciamak Moresadegh, meinem neuen jüdischen Freund. Er ist heute besonders gut gelaunt. Die Regierung hat ihm gerade Geld für sein Krankenhaus übergeben. Es war ins Minus gerutscht. Jetzt kann er endlich auch die restlichen Gehälter zahlen. »Manchmal ist es nicht schlecht, als Jude im iranischen Parlament zu sitzen«, schmunzelt er.
    Während wir Erinnerungen

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